Die nun folgenden Überlegungen sind noch sehr fragmentarisch und nicht abgesichert. Zu einer begründeten Korrektur bin ich gerne bereit:
1) Die Vermittlung von Personen mittels Sprache wird von FICHTE transzendental gedacht als „Aufforderung zu einem freyen Handeln“.1
„Vorher war von einem Handeln die Rede als Vereinigungsglied zwischen dem Zweckbegrif und der Sinnenwelt, diese giebt eine physische Kraft. Wie nun eine Auffoderung an mich ergeht, also ein Handeln eintritt, so wird von mir auf ein Handeln das außer mir ist geschlossen, es wird hier von er sinnlichen Krafft als einer bestimmten auf ein ihr homogenes Bestimmendes geschloßen.“ (§ 18, ebd. S 255)
Wenn schon in der empirischen Empfindungs- und Gefühlswelt darauf gerechnet wird, dass wir spontan auf die Hemmungen reagieren und eine sinnliche Innen- und Außenwelt aufbauen, wieviel mehr wird uns im Sprech-Akt – und so können wir das transzendentale Sollen sinnlich wahrnehmen – angemutet, dies als Einheit von Zeichensetzung und Bezeichnung zu sehen! 2
In dieser Einheit einer „Aufforderung zu einem freien Handeln“ ist noch keine Trennung von Performation und Proposition, von Referenz und Prädikation in einem theoretischen Sprachpositivismus vorausgesetzt, sondern projektiv-zweckhaft, virtuell ist vorweggenommen, was den Sprech-Akt und das Verstehen ermöglicht –eine prospektive Form gemeinsamen Wollens. 3
Nicht die objektivierte Sprache oder die objektivierenden Prädikationsformen oder die sie umgebenden Lebensformen tragen m. E. den verständigen Dialog oder bewirken oder beurteilen etwas, vielmehr ist die Sprache (in einem weitesten Sinne) ein repräsentativer Ausdruck von Gedanken und Absichten (Intentionen), damit ein freies und dialogisches, intersubjektives Handeln aufeinander und miteinander ermöglicht werde.
2) Die dialogische und praxologische Seite der Dialektik FICHTES wurde von K. Hammacher u. a. herausgestellt. 4 Alle Handlungen des Menschen sind interpersonal und zweckhaft geprägt und bestimmt.
Von einem eigentlichen Handeln, wie Hanna ARENDT sehr schön sagt, kann man eigentlich nur im zwischenmenschlichen Bereich sprechen. 5
So liegt m. E. in der Perzeption eines anderen, interpersonalen Wollens die Notwendigkeit medialer, d.h. sprachlicher und geschichtlicher Vermittlung vor. FICHTE deutet es in § 18 im Zusammenhang der Stelle der Erschließung anderer Personen an:
„Das Handeln des freyen Wesens außer mir, auf das geschloßen ist, verhällt sich zu dem mir angemutheten Handeln wie der angefangene Weg zur Fortsetzung deßselben. Durch die Aufforderung ist mir eine Reyhe von Gliedern gegeben durch welche das Ziel gesetzt ist. Eine Reyhe zu der das noch mangelnde Ich hinzusetzen soll.“ (Wlnm, § 18, S 253)
Die Aufforderung eines anderen freien Wesen stellt sich durch die Versinnlichungsformen der Einbildungskraft u. a. in sprachlichen Bildern und sprachlichen Akten dar, sodass das einzelne Individuum selbst in „eine Reihe des Mannigfaltigen“ gesetzt wird, „um das von ihm (sc. vom anderen freien Wesen) angefangene Handeln zu vollenden.“ (ebd. S 253)
Die Grundform aller Wahrnehmung, d.h. die Grundform des Bildseins der inneren Anschauung, ist die Zeit. Der Gehalt eines Sinns, wenn er in artifiziellen Aussagen weitergegeben werden soll, wäre unsichtbar, wenn er in innerer Anschauung nicht zeitlich wahrnehmbar wäre.
Die Sprache nimmt deshalb notwendig die sinnliche Form der Zeit und des Werdens an. Sprache ist zwar einerseits durch göttlichen „Aufruf“ überhaupt geschenkt und ermöglicht, aber auch zeitlich gebildet und durch schöpferische Denkkraft erfunden und gemacht. (Siehe Blog zur Sprache).
Die Sprache ist dieses geistige Bilden des intentionalen Verhältnisses zu Bedingungen der Freiheit, ist selbsttätiges Tun in der Zweiheit des Bildens und des Seins, und damit Eröffnung eines gemeinsamen, interpersonalen Tuns, ist individuelles wie soziales Verhältnis in einem zeitlichen Werden.6
© Franz Strasser, Altheim 14. 12. 2014
1Die Sprache – ein transzendentallogische Pendant zum Begriff des Leibes und der Kraft.
2Vgl. dazu P. Baumanns, ebd., S 184. Ich möchte hier nur auf Baumanns verweisen und möchte ihn nicht für meine Belange verwenden. Sein Aufsatz ist natürlich viel genauer.
3P. BAUMANNS analysiert kritisch mit transzendentalem Hintergrund der WL diese Sprechakttheorie von SEARLE und AUSTIN und legt zugleich Vorschläge vor, wie die Vermittlung von Sprache im Sprechakt transzendental gedacht werden könnte. (Ab S 184 – 186)
4K. HAMMACHER z. B. in dem Artikel: Fichtes und Husserls transzendentale Begründung der Intersubjektivität, in: Transzendentale Theorie und Praxis, Amsterdam 1996, 99 – 116; ebd., Dialektik und Dialog, S 79-98. u. a. Aufsätze von ihm.
5H. Arendt, Vita activa. Vom tätigen Leben, München 1960.
Die in der Analytischen Philosophie hervorgehobenen sprachanalytischen Bestimmungen zum Handeln, soweit ich sie spärlich kenne, sind mir zu positivistisch. Es wird die transzendentale Synthese von Zweckbegriff und reellem Handeln objektivistisch in Lebensformen, in Sprechweisen, in Konventionen u. a. strukturellen Instanzen festgemacht, ohne deren genetische Entstehung im transzendentalen Akt begrifflich durchdringen zu können.
6Vgl. z. B. M. J. SIEMEK, Blog zu Bild und Bildlickeit. Oder siehe ders., Unendlichkeit und Schranke. Zum Fichteschen Entwurf einer transzendentalen Ontologie des Wissens. In: Fichte-Studien, Bd. 31, NY 2007, S 65. „Das Bild ist nur dadurch, dass es wird und sich im Werden präsentiert. Durch das Faktum des Werdens entsteht also das Bild, als gesetzt in der Äußerung dessen, was Fichte als Urbild bezeichnet. Es ist das sich im Bilde äußernde Leben, das allein dem Bild seinen Gehalt geben kann. Dieser unendliche Gehalt – die Qualität, die im Bild hingeschaut wird – schöpft sein Sosein aus dem unmittelbaren Erscheinen des Seins und erscheint insofern als die Wahrheit im Wissen, oder die unmittelbare Offenbarung, die das Sein von sich gibt. Zugleich ist aber diese unendliche Wahrheit nur in der einschränkenden Form der Anschauung, im bildlichen Medium der Sichtbarkeit überhaupt zugänglich. Denn es ist die Form und das Medium des Werdens, der unmittelbaren Genesis: ein Sich-Machen der Einheit vermittelst des lebendigen Durch, das den Fluss der Mannigfaltigkeit aufhält und in die Einheit des Bildes verwandelt. Der absolute Gehalt der Erscheinung muss diese Form annehmen, wenn er anschaubar sein soll; denn sie ist die Grundform der Bildlichkeit, in der die Erscheinung sich selbst als äußernd anschaut.“