Es wurde immer wieder die Frage gestellt, wie die Ideen und die Einzeldinge der sinnlichen Welt zusammengehören. Wie kann die Teilhabe der Dinge an den Ideen vorgestellt werden? Sich billig damit zu begnügen, von einer Verdoppelung der Welt zu sprechen, hier die Sinnenwelt, dort die Ideenwelt, erklärt weder die Begriffe, die ja doch für die sinnliche Welt gelten sollen, – an die selbst der Naturalist zeitweilig glaubt – noch die Phänomene. Zur Zeit PLATONS wurde die Frage der Teilhabe der Ideen an den Sinnendingen heftig diskutiert – und heute beschäftigt sich manche Philosophie, vor allem die Analytische Philosophie mit der Hauptfrage, wie kann die Referenz von Begriff und Gegenstand erklärt werden.
Ein ARISTOTELES verteidigt einmal die Ideenlehre von PLATON/SOKRATES1, wie er sie dann wieder kritisiert. Diese Vorwürfe sind als das „Chorismos“- Problem vom „Neukantianismus“ im 19. Jhd. hochstilisiert worden, weil dieser, so meine Sicht, keine klare Antwort auf das Erkenntnisproblem geben konnte.
Inwiefern der Vorwurf des ARISTOTELES unberechtigt ist, siehe z. B. den Blog „Transzendentale Deutung der Ideenlehre“ – oder siehe Wikipedia-Artikel.
PLATON hat mit seiner Ideenlehre wesentliche erkenntnistheoretische Voraussetzungen des apriorischen Vorwissens eingebracht. Der Begriff überhaupt und die Begriffe für wesentliche Bereiche unseres Lebens sind wesentlich nur durch die Vor-Bild-Funktion der Ideen erklärbar. Jede Wissenschaft bedient sich spezifischer Begriffe, immer aber schwebt ein Maß der faktischen Verwirklichung in ihnen mit, d. h. ein Vor-ausbild, eine Idee. Das Zitat aus „Politeia“ möge diese konstitutive Funktion von Ideen für jedes Wissen belegen – siehe download (zwecks griechischer Orthographie als pdf-download – – Politeia 7. Buch 533b)
„Das, was jegliches selbst sei“, damit befasst sich fast keine Wissenschaft; und selbst diese Wissenschaften, die vorgeben „mit dem Seienden“ sich ernsthaft zu befassen wie die „Geometrie und was mit ihre zusammenhängt“, wissen nicht den rechten Begriff der Sache zu finden, „solange sie Annahmen voraussetzen“, die unbeweglich sind – und schließlich geht es noch weiter, wie sollen aus solchen Anfängen, „die man nicht weiß“, noch zu Folgerungen kommen können…….
Etwas Unbewegliches vorauszusetzen, um das Linienziehen und das Messen (das Quantifizieren) zu erklären, erklärt nichts, denn woher das Unbewegliche? Wenn es der Geometrie oder der Physik oder der Mathematik schon um wesenhaft Seiendes gehen soll, so müssten sie erklären können, wie der Geist zum Linienziehen und Messen und Zählen überhaupt kommen kann? Was geschieht im Geiste, wenn Bewegung gedacht wird? Was geht hier von wo her zu was hin und wie? Wie wird das angeschaut? Wir geht das Zählen?
Für den Begriff der Bewegung verweise ich auf die FICHTE, Wlnm GA IV, 2, S 211ff, wie es zum Aufbau einer Appositionsreihe kommen kann. Das Zählen muss ebenfalls ein Vorgang im Geiste sein. Es kann nicht einfach realistisch etwas „Unbewegliches“ vorausgesetzt werden.
Die Antwort von PLATON ist wieder einmal genial. Wären die Ideen nicht selbst beweglich, d. h. würde nicht im Innern der Anschauung eine Begriff der Bewegung entworfen, könnte er auch – der Idee nach – nicht verwirklicht werden. Eine Sache an sich bewegt sich nicht. Linien, Punkte, eine Bewegung, sie muss nach dem Begriff einer Idee erklärt werden, sonst erklärt man nichts.
© Franz Strasser, 11. 7. 2015
1 Metaphysik XIII 4, 1078b: „Doch Sokrates setzte das Allgemeine und die Definition nicht als Abgetrenntes an. Die Anhänger der Ideenlehre aber trennten es und nannten derartiges Ideen.“