Natürlich habe ich in meiner Jugend, sozusagen in der pubertären Phase, gerne NIETZSCHE (tlw. abk.=N) gelesen. Jetzt viel mir zufällig ein Artikel in der Hände, der das innere Dilemma N‘s anspricht, ja sein tragisches Schicksal als Folge dieses Denkens zeichnet. Ein widersprüchliches Wollen, so meine Deutung, muss sich früher oder später auflösen und die Freiheit des Menschen zerstören. Zuerst kurz zu dem Artikel: Andreas Luckner, Die ewige Wiederkunft des Gleichen. In: Der Blaue Reiter, Bd. 29., S 67 – 71.
Der Autor macht es sich zur Aufgabe, die „Ewige Wiederkunft des Gleichen“ (nicht „Wiederkehr des Selben“) als Schlüsselgedanke der späteren Werke N‘s (so ab „Fröhliche Wissenschaft“, 1882, dann „Zarathustra“) herauszustellen, als Paradigma seiner Philosophie, oder, wenn nicht so platonisch, als Erklärungsmuster.
Wie ist diese Anschauung und Formulierung der Möglichkeit nach zu verstehen?
N sei hier keine historische Wiedergabe altbekannter, zyklischen Zeitvorstellungen vorgeschwebt, auch keine naturphilosophischer Sicht der Welt, wie sie ebenfalls im 19. Jhd. kursierte, sondern voll bewusst und allen Ernstes wollte er mit diesem Schema seine Grundgedanken veranschaulichen: die Anschauung eines kreativen Wollens, den „Willen zur Macht“ – um so den Verzicht auf die Vorstellung eines Schöpfergottes und den Verzicht auf eine göttliche Erlösung zu erreichen. Mittels „Ewiger Wiederkunft des Gleichen“ könnte der unverrückbare Stein der Vergangenheit und die damit verbundene Schuld aufgehoben und verändert werden. Es gibt dann zwar keine Hoffnung auf Erlösung, aber der Gewinn ist: Es gibt dann auch keine Schuld, von der wir erlöst werden müssten.1
N äußerte sich bekanntlich sehr kritisch über abendländische und christliche Moralvorstellungen (siehe z. B. in „Jenseits von Gut und Böse“, „Genealogie der Moral“), und mittels kreativen Willen und „Ewiger Wiederkunft des Gleichen“ wollte er zu einer neuen Form der Bejahung des Daseins und zu einer neuen Dankbarkeit gelangen.
(Kritisch merkt allerdings der Autor des Artikels zuletzt an, warum N trotzdem nicht zu einer größeren Gelassenheit und Ruhe gekommen ist, wenn er schon die überlieferten Moralvorstellungen als ressentimentbeladen abgelehnt hat?)
N war, mit eigenen Worten ausgedrückt, geradezu geblendet von der philosophischen Kraft des Wollens, die sich steigerte zu dieser Weltsicht der „Ewigen Wiederkehr des Gleichen“. Seine Aphorismen und Gedankensplitter zum starken Willen bedurften, transzendental ausgedrückt, eines einheitlichen Schemas der Zeitlichkeit – und das meinte er in diesem beschriebenen Zeit-Gebilde der „Ewigen Wiederkehr des Gleichen“ gefunden zu haben. Irgendwie musste der Wille sich ja versinnlichen und verzeitlichen, und deshalb dieses Schema.
Der Autor im Blauen Reiter beschreibt dieses Schema natürlich viel spannender als ich hier kann: Es sei mir erlaubt, diese „Ewige Wiederkunft des Gleichen“ als Formel zu verwenden, analog, wie es die Mathematiker tun, um einen unendlichen Gedanken in eine endliche Form zu bringen. Die Detailableitungen und Ausführung dieser Formel – siehe dortiger Artikel.
Die Mitte der Zeit sei der Augenblick, und im Augenblick findet das Wollen seine höchste Form und seinen höchsten Zweck. Was kann aber übrig bleiben, wenn ein Schöpfergott und eine himmlische Zielbestimmung und eine Erlösung geleugnet werden sollen? Was kann der kreative Wille noch wollen und bejahen können? Die Antwort: Die Bejahung des Werdens.
„Lebe so, dass du wollen kannst, dass jeder Augenblick Deines Lebens wieder kommen darf!“
Wenn man sich zu dieser „Bejahung“ durchgerungen hat, benötigt das Leben keine Erlösung mehr, es hat sich mit der self-fulfilling-prophecy der ewigen Wiederkunft des Gleichen fernab jedweder Resignation und Weltflucht gleichsam selbst erlöst.
Ich möchte daraufhin sagen: Ja, wenn das Werden im geistigen Vorstellen, im verstandlichen Bestimmen und in der denkerischen Verarbeitung des eingeschauten Wollens richtig bestimmt worden wäre, hätte Nietzsche den kreativen Wille schon finden können – aber im Sinne einer erinnerten, lebendigen Vergangenheit und eines gegenwärtigen Schaffens und einer antizipierten Zukunft. Eine „Wiederkunft des Gleichen“ tötet hingegen jede freie Vorstellung des Erinnerns (der Vergangenheit), der erfüllten Gegenwart und der erhofften Zukunft.
1) Ich möchte rein vernunftkritisch die Frage stellen: Ist es transzendentallogisch denkbar, die Zeit und Geschichte in diesem von ihm aufgegriffene Schema der „Ewigen Wiederkunft des Gleichen“ zu denken?
Die Zeit ist sicherlich nichts Äußerliches, kein äußerer Behälter, keine Sinneserfahrung wie rot, grün, heiß, kalt… Sie entspringt im Bewusstsein und stellt für sich ein hochkomplexes Gebilde da, worin der Mensch seine Selbstbestimmung und seine Identität findet. Werden die ehernen Gesetze der Generierung der Zeit aber nicht gesehen, wie mir das bei Nietzsche der Fall zu sein scheint, so verwickelt sich der Wille in Widersprüche und wird am Ende ganz aufgegeben (aufgelöst), denn das tragende Ich des Willens gibt es nicht mehr, wenn die Gesetze der Zeit nicht beachtet werden. Eine Vergangenheit verändern zu können, diesen Stein zu verschieben, das begehrte N, aber das geht vernunftlogisch und zeitbewusst nicht und vernichtet schließlich alle Anschauung des Werdens, das N gerade gewollt hätte.
2. 1.) Die Zeit gehört konstitutiv zum Willen in seinem Übergehen und Wollen. Das hat N wohl richtig erkannt. Nur muss sich früher oder später im übergehenden Willen ein höchster Wert und eine diesen Wert verwirklichenden Existenz offenbaren, damit von irgendeiner substantiellen Einheit des Werdens gesprochen werden kann. Es leuchtet im Willen etwas auf, worum es uns absolut und immer geht, eine Pertinenz, die wir zugleich in unserem Existieren realisieren möchten. Der Bestimmungsgrund des Willens für die Generierung der Zeit und Zeitlichkeit kann nicht im Zirkel selbst durch zeitliche Kategorien wie „Wiederkunft“ und „ewig“ gedacht werden, sondern muss zeitlos über dem Werden und über den Gedanken einer „Wiederkunft“ gesetzt sein. (Zur Konstitution der Zeit im Bewusstsein – siehe R. Lauth.)
2. 2.) Die Vorstellung des Werdens ist getragen von diesem pertinenten Bestimmungsgrund, der sich in der Erscheinung des Selbstbewusstseins als substantieller Denk- und Selbstbestimmungsakt des Ichs zeigt – und den damit verbundenen Leistungen des Bewusstseins zur Generierung der Zeitanschauung (des Werdens) schafft. Was tut aber Nietzsche? In der Vorstellung der „Ewigen Wiederkehr“ und dem „Gleichen“ setzt er eine anonyme Verobjektivierung und Verzeitigung des absoluten Bestimmungsgrundes voraus – und meint so, sein ewiges Werden objektivistisch erkennen und fassen zu können, im Gegensatz zur seit der Antike kolportierten, ihm zweifelhaft scheinenden, unwandelbaren Wahrheit der Vernunft oder eines christlichen Gottes.
Die dem Werden zugrundeliegende Substanz eines absoluten Bestimmungsgrundes darf aber gerade um des Denkens eines freien Willens und eines übergehenden Wollens und einer „Bejahung des Daseins“ willen nicht verobjektiviert oder versubjektiviert werden. (Siehe dazu sehr schön die WLnm von FICHTE in seiner Bestimmung eines durch sich selbst bestimmten Willens, der den zwecksetzenden, zeitlichen Willen erst begründet.) Ein Gedanke der „Ewigen Wiederkunft“ ist gerade nicht „ewig“, wenn der kreative Wille sich nicht auf eine zeitlose Einheit eines absoluten Bestimmungsgrund beziehen kann. Die „ewige Wiederkunft“ bei N ist in meinen Augen eine leere Phrase mangels ausgearbeiteter Konstitutionsbedingungen, wie es zu Zeit und Ewigkeit und Wiederkunft der transzendentalen Möglichkeit nach kommen kann.
Erst das zeitüberhobene Denken und buchstäblich freie Vorstellen ermöglicht dem Willen, sein effizierendes Wollen und seine reale Kraft angesichts auftretender Hemmungen und Aufforderungen einzusehen und zu einer kontinuierlichen und zeitlichen Reihe von Gegenwart und Vergangenheit und Zukunft aufzubauen (innerhalb einer sich nicht wandelnden substantiellen Einheit des Denkens und des Selbstbewusstseins) – oder umgekehrt, wie N es wollte, diese Logik und Moral einer unwandelbaren Wahrheit, die ihm verdächtig geworden ist, zu entlarven. Indem er der tradierten platonischen Wahrheit (oder einem christlichen Gottesbild) seine „Ewige Wiederkunft“ entgegenhält, muss er eo ipso eine neue, ebenfalls gleichbleibende, unwandelbare Wahrheit behaupten, aber zugleich muss er im Selbstwiderspruch sie wieder hinterfragen. Es bleiben notwendig idealistische oder realistische Einseitigkeiten übrig um den Preis dogmatischer Behauptungen bzw. abgebrochener Dialoge und Kriterien.
2. 3.) Der Wille braucht für seine Darstellung ein Schema und eine Anschauung und Verbildlichung und Verzeitlichung, Mit seiner verwendeten „Formel“ („Wiederkehr“ oder „Wiederkunft“) verfängt er sich:
a) Es wird mit „Ewiger Wiederkunft“ der Schein aufgebaut, als könnte in der Vergangenheit eine laufende Zeit vorgestellt werden, die sich sozusagen wiederholen kann, eine Art „zyklische“ Zeitvorstellung. Zeit ist aber wesentlich existentielle Setzung eines Ichs, übergehender Wille eines absoluten Bestimmungsgrundes mit zugrundliegendem Schema einer gerichteten Zeit und einer erinnerten Zeit und einer prinzipiierenden Kausation einer erwarteten Zukunft. Es sind laufend unverwechselbare Momente gesetzt, die sich gerade nicht wiederholen können.
b) Die ausgezeichnete Gegenwart, die Nietzsche mit dem „Augenblick“ ja ansprechen will, kann als solche nur mit erinnerter und darin erfüllter Vergangenheit und mit projizierten Zukunft existentiell erfahren und ausgezeichnet werden. Wenn die Vergangenheit abgewertet und verdrängt wird, wie von N gewollt, was bleibt dann für die existentielle Setzung der Gegenwart? Der übergehende Wille, der mittels Einbildungskraft eine Werden anschaut, muss sich mittels Verstandesformen und Reflexionsformen notwendig! auf eine Vergangenheit und strebend frei auf eine Zukunft beziehen, damit er überhaupt sich wollen kann. N begeht einen schweren Fehler, wenn er die Vergangenheit meint beliebig umändern zu können und aus einem nicht genau bestimmten Willen, aus dem Bestimmungsgrund des „Willens zur Macht“, diese Vergangenheit interpretiert und uminterpretiert und daraus (und aus nicht offen zugegebenen Quellen) eine Zukunft entwirft. Es fehlt dafür jede Rechtfertigung, außer die Ablehnung und Verdächtigung der überlieferten, „platonischen“ Wahrheit und des Dagegenhalten einer nicht mehr genau benennbaren, nihilistischen „Wahrheit“.
N kannte wohl die faktischen Anschauungsformen a priori der Zeit und des Raumes nach Kant, aber die begrifflich, faktischen Schematisierungen waren ihm verdächtig.
Die Deutung der Vergangenheit und der Entwurf der Zukunft muss sich in einem Bild bewähren und beweisen können, d. h. der Wille muss sich notwendig auf eine unwandelbare Einheit und Pertinenz beziehen, sonst kann er sich selbst nicht bilden und bewähren und bildet folglich keine Zeit. Wenn der Wille in seiner „Bejahung des Daseins“ keinen prinzipiierenden Grund seiner Bejahung kennt, wie möchte er adäquat antworten auf die Vergangenheit und wie adäquat Prinzipiengrund eines zukünftigen Prinzipiats sein? Wie möchte er adäquat in seinem Werden übergehen, wenn er das Werden mittels Einbildungskraft nicht an einer unwandelbaren Sinn- und Werteinheit ad-äquarieren (anpassen) will?
c) Die vertrackte Sicht der Zeit und Geschichte aufzufangen als „Ewige Wiederkunft des Gleichen“ beschwört eine gewisse Anschauung der Kontinuität, als gäbe es etwas „Ewiges“, aber dieser Gedanke muss leer und pathetisch bleiben. Die Zeitlosigkeit („Ewiges“) kann nur entgegengesetzt zum übergehenden Willen gedacht werden in einer absoluten Einheit und in einem absoluten Bestimmungsgrund. Ich, das Sich-Bestimmende, das Wissen, sehe mich doppelt an: als mich bestimmend unter dem Gesichtspunkt des Bestimmens, so ergibt sich die Erscheinung des Zwecksubjekts, und sehe mich als mich bestimmend unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtseins an, so ergibt sich das Bild des Wollens meiner als Wollender. Zwecktätigkeit und reelle Wirksamkeit (Wollen) sind aber nur etwas Gedachtes. Die Versinnlichung des Strebens in der Zeit und die durch Verstandesformen gleichzeitig geschaffene Verrräumlichung des Strebens, die ganze Versinnlichung der reinen Kraft der Intelligenz zur Naturkraft als zielbezogene dynamis des Handelns, als Leibeskraft, als physische Kraft in der Natur, als Geisteskraft, das alles hat N gekannt und poetisch-pathetisch beschrieben, aber damit kaschierte er den eigentlichen Setzungs- und Wissensakt, worauf der Wille notwendig Bezug nehmen muss, wenn er sich in seinem Werden einschauen will.
Die Zeitlosigkeit der ungeschichtlichen Wahrheit war ihm suspekt geworden, so blieb ihm (ungewollt?) der übergehende Wille eine idealistische oder realistische Vereinseitigung und Verobjektivierung:
d) Der Wille wird notwendig mit sich uneins und gespalten, denkt er nicht beides zugleich: die unwandelbare Einheit im Bewusstsein (Ichheit, absolutes Wissen) und einen absoluten pertinenten Bestimmungsgrund (die Erscheinung des Absoluten) – und die daraus hervorgehende Genesis des Erkennens und Wollens und Handelns. N schwankt in der Anschauung des Werdens einmal idealistisch, dann wieder realistisch hin und her zwischen bloßer unaufhörlicher Vorstellung des Werdens (idealistisch), per impossible dictum, denn ein Werden ohne Rückbezug auf etwas Gleichbleibendes ist nicht möglich – und voluntativer Generierung neuer Zeit (realistisch) in der „Bejahung des Daseins“, das aber ohne einsichtigen pertinenten Grund im Ich/im Willen und ohne Bejahung eines Wertes in der vergangenen oder erhofften Geschichte, nicht möglich ist. Der realistisch vorgestellte „Wille zur Macht“ ist nur eine Schein-Realität, machtlos, weil er auf keinen Wert Bezug nimmt.
e) Ich möchte dieses idealistische oder realistische Schwanken noch weiter beschreiben: Man kann in der Konstitution der Zeit im Bewusstseins m. E. nur beides zugleich haben und wollen: Unwandelbarkeit und Wandelbarkeit – in dem beschriebenen Sinne einer dynamischen Einheit von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Das Wollen ist zugleich analytisches Wollen eines ewigen Sinns, einer ewigen Wahrheit, und synthetisches Wollen im Zweckdenken und zeitlichen Wollen des Daseins. Eine Zerstörung dieser Balance von Analyse-Synthese des Selbstbewusstseins führt notwendig entweder zu einer idealistischen Überhöhung des Zweckdenkens und des ewigen Wandels („Wiederkehr“), oder zu einer realistischen Überhöhung eines „Willens zur Macht“, der, von welchen naturalistischen Quellen gespeist wie immer, letztlich ebenfalls machtlos ist. Beide Formen sind vernunftkritisch nicht haltbar, sind unbewiesen und dogmatisch, und erzeugen einen dialektischen Schein.
f) N überzieht und überschätzt die Wirkungskraft des Willens idealistisch, indem der Wille dieses Schema der „ewige Wiederkunft“ ermöglichen soll. Tatsächlich aber zerfließt N‘s Werden und seine „ewige Wiederkunft“ in totale Unanschaulichkeit, in ein totales Nichts, weil er einen letztgeltenden Begriff dafür nicht finden kann und nicht finden will – z. B. eine platonische Wahrheit oder einen christlichen Gott.
g) N überzieht und überschätzt die Wirkungskraft des Willens auch realistisch, denn gerade dann, wenn er den Willen zur Macht versinnlichen, den „Übermenschen“ schaffen will u. a. m., fehlt ihm die Anschauung und Versinnlichung dieses Gedachten ohne Zeitvorstellung und sich bewährendes Bild. Er veräußert eine Leerstelle in seinem Willen – und nennt diese Veräußerung und Verobjektivierung „das Gleiche“, den „Übermensch“ oder wie immer, aber das ist nur phantasievolle Metaphorik, Metaphysik von Dingen, die es nicht gibt.
3) Die idealistische Fehleinschätzung der Zeit und die realistische Überhöhung des Willens, das musste schlussendlich zur Auflösung des den Willen tragenden Ichs führen, deshalb auch das tragische Ende. So die Sicht des Autors Andreas Luckner – und ist ebenfalls für mich logisch. Ein selbstbewusstes Ich muss realistisch sein Wollen verlieren, wenn der Wille nicht mehr wahlfreier Wille ist und wirklich-wirksam wählen kann zwischen verschiedenen Bestimmtheiten. Der Wille, der quasi alles will, will nichts mehr. Der Wille hat sich realistisch wie idealistisch verloren, gerade auch durch dieses erkenntniskritische, schwache Schema einer „Ewigen Wiederkunft“, worin es keine ausgezeichnete Gegenwart, keine erinnerte und erfüllte oder üble Vergangenheit und keine erhoffte Zukunft mehr gibt, mithin keine Konstitution der Zeit im Bewusstsein.
M. a. W.: In dem Ausdruck „Ewiger Wiederkunft“ musste sich N das Prinzipiieren eines zu bejahenden Daseins und vielfach zu bejahender Werte (Prinzipiate) idealistisch verbauen, denn was sollte noch beginnen und entstehen, was sollte überhaupt sein, wenn der Wille erkenntniskritisch weder einen pertinenten Grund in der Vergangenheit, noch eine Sinnidee in der Zukunft kennt? Ferner hat sich N realistisch alles verbaut, wenn er die Anschauung von Prinzipiaten als das „Gleiche“ beschreibt.
Wie der Mathematiker eine Formel findet, um in einem Begriffe (oder einer Funktion, einer Tätigkeitsformel) die Unendlichkeit einer Zahlreihe vorstellbar zu machen, so stellt das Denken zwar eine „unendliche Wiederkehr“ formelhaft vor, spricht es aus, aber ipso facto und de jure kann der Wille diese „Zahlenreihe“ einer unendlichen Wiederkehr nicht wollen und zählen, weil er dann nichts will, nicht einmal die Bejahung des Werdens. Eine aktuale Unendlichkeit zu erfassen, das ist Selbsttäuschung und nicht möglich.
Der Wille muss a priori wissen, was wollen heißt, sonst könnte er nicht wollen, d. h. aber, er muss gleichzeitig im Wollen eine ungeschichtliche Wahrheit voraussetzen und einen absoluten Zwecks des Selbstwollens, damit er überhaupt von einer „Bejahung des Werdens“ sprechen, und damit, relativ zum absoluten Wert, andere Werte wollen und bejahen kann. Realistisch wie idealistisch führt eine voluntaristische Zeitbetrachtung gerade nicht zur Einsicht in das Werden, zu einem Erinnern und Erhoffen von etwas („Gleichem“) in einer ausgezeichneten Gegenwart und zu einer Bejahung und Dankbarkeit.
Ich könnte N insofern geradezu zustimmen, dass er den kreativen Willen so stark betont! Aber wohin soll dieses Wollen gehen? Ein gewolltes und propagiertes Wollen einer „Ewigen Wiederkunft des Gleichen“ ist nicht denkbar und hebt sich selber auf.
Das Schema des Wollens im Christentum, wenn ich so pathetisch sagen darf, ist geradezu diametral entgegengesetzt: Versinnlichung, Verzeitlichung (oder besser Verzeitung), Inkarnation, Entäußerung des göttlichen Willens in der Zeit und in der „Bejahung des Daseins“ zu Bedingungen endlicher Freiheit und zu Bedingungen eines Willens, der sowohl Gutes wie Böses wählen kann.
© Franz Strasser, 24. 3. 2020
1Ich finde diese Gedanken deshalb interessant, weil ja die naturalistischen Philosophien von heute ebenfalls den Menschen ständig exculpieren und ihm alle Last und Schuld der Geschichte abzunehmen versuchen. Ich denke an die Vorstellung der Zeitlosigkeit des Unbewussten in der Tiefenpsychologie, oder an die Evolutionstheorie, die Geist und Welt zu einem ungerichteten, anonymen Prozess machen will. Ich habe dafür selber nur eine psychologische Antwort: Evolutionstheorie ist eine, mit FREUD gesprochen, „Deckerinnerung“, Verdrängung. Siehe dazu andere Blogs von mir zur Evolutionstheorie.