Es geht, wir R. LAUTH schreibt, um „die Faktizität insgesamt, sowohl mit ihrer faktischen als mit ihrer praktischen Seite in Einheit des Prinzips“ (ebd. S XVIII)
18. Stunde
Aufgabe ist jetzt, die verschiedenen Standpunkte und Maximen unter die Einheit eines Prinzips zu bringen. „Um den Usprung der Fakticität selbst ist es uns zu thun.“ (ebd. S 82 Z 23) Wurde das Absolute durch das Intelligieren nicht selbst zu einem Faktum des Seins gemacht und zu einer Idealform der Deduktion – über den Begriff des Solls und des Zwecks? „Soll hinweg! Gleich in der höchsten Potenz: Es soll zum daseyn des absoluten, als solche kommen: Drum (muss das Soll im Wissen seyn.)“ (ebd. S 83 Z 22)
„Es ist daher im Mittelpunkte unmittelbar kräftig; u. sein objektives, u. angeschautes Daseyn ist nur die Erscheinung dieser Kraft im Lichte.“ (ebd. Z 30)
Das Absolute wurde immer so vorausgesetzt, es setzt sich aber nicht unmittelbar, sondern als sich setzend. (vgl. ebd. S 84, Z 14) Das ist aber nur seine „Deutung“ (ebd. Z 16)
Das „als“ müsste als „sich“ des „äussern“ des Absoluten gesehen werden, „von sich, aus sich durch sich.“ (ebd. S 85 Z 1) FICHTE rekurriert hier auf den Begriff des Lebens:
„Das Leben des absoluten ist bekannt als ein zusammenhalten des Nichts. Soll nun dieses Lebens unmittelbar u. in der That sich befindlich sich äussern, so kann dies nicht geschehen im Resultate, noch das Nichts da stehen, als zusammengehalten seyn (….) sondern als zusammengehalten werden – das Nichts; drum eben zugleich als Nichts, u. Tendenz ins Nichts zu verfließen.“ (ebd. S 85 Z 16ff)
Der Begriff des Nichts kam schon öfter in der GSRL vor. Er hat eine bestimmte Funktion, ist aber an sich als außerhalb des Wissens gesetzt nicht denkbar möglich. Dieses Bewusstseinsphänomen „Nichts“ ist eine bestimmtes Wissen und lässt sich selbst aus der Genesis des Sich-Bildens erklären. Wie kann die Funktion des Nichts gedacht werden?
Das Wissen soll sich in seinem Akt – wodurch das Wissen nicht nichts ist – absondern, dass es nicht nichts ist. (Eine idealistische Erklärung des Nichts, als Bild, oder als realistische Nicht-Erfahrung, führt nicht einsichtig auf ein Wissen-vom-Nichts – wie bei anderen Philosophen zu finden.)
Es liegt im Denken von Nichts eine Differenz zugrunde zwischen unmittelbarer Konstruktion des Wissens und „Nachkonstruktion bei aller Bewußteit der übrigen Wissensfaktizität.“ 1 Das Nichts kann nicht gewusst oder gedacht werden und doch wohnt ihm eine eigenartige Konsequenz bei. Was soll dieses Wissen bedeuten?
J. Widmann beschreibt dieses nicht genetisierbare Wissen vom Nichts als Denken des Nichtseins, als Begriff, der eine Synthese anzeigt zwischen Negation und Sein. Das „Nichtsein“ ist eine Disjunktionseinheit beider.
Schließlich kann in einer erneuten (doppelten) Reflexion dieser Begriff des Nichtseins als „Leere“, als „Nullum“ beschrieben werden – wie er abgewandelt auch in der GSRL vorkommen wird – als Möglichkeitsbegriff der Genesis schlechthin. Dieser Charakter der doppelten Reflexion, der Aktualität und des Lebens, gilt absolut, ändert sich nicht, erhält aber zusätzlich eine bestimmte Möglichkeit, die des Todes. 2
Zweifellos spielen diese Aspekte, die von J. Widmann anhand des 2. Vortrages der WL 1804 herausgearbeitet wurden, hier jetzt eine wiederkehrende Rolle.
FICHTE kommt indirekt auf die im 3. Teil schon angesprochene Grundtendenz des Wissens und des Ichs zu sprechen, wo vom „Zerfließen ins Nichts“ die Rede war (15. Stunde, S 70 Z 2), das im Triebgefühl zuerst spürbar war, dann aufgenommen wurde im Selbstgefühl, reflektiert im Ich für ein Ich, als „Soll eines Soll“ (ebd. S 69) – und hier als lebendiger Akt wiederkommt: „Das Schema dieser Tendenz ist eine Linie, = Zeit, u. zwar leere.“ (ebd. S 85 Z 24)
„Als in diesem Schema des Nichts das Nichts zusammenhaltend müste das absolute Leben, als solches, sich äussern:-. Diese Aeusserung nun wäre erst das zustande gekommen Aussen, oder das Licht absolute einfach, u. substantiell in seiner Wurzel; u. dieses brächte schon das Schema des Nichts, oder der Zeit mit sich. – als gefüllter Punkt innerhalb einer leeren Zeit. W[as]. D[as]. E[rste]. W[äre).“ (ebd. S 85 Z 29)
Die Frage, wie die Äußerung des Absoluten im absoluten Wissen und in der Faktizität des Bewusstseins weiterzuführen sei – im 19. Vortrag wird FICHTE ausdrücklich sagen, dass ein „Äußern“ dem Absoluten gar nicht zugedacht werden kann, eine „Genesis sey durchaus unmöglich“ (ebd. S 8 Z 19) – hat aber eine Antwort bekommen: In der Anwendung des Wissens (der ReflexionI) und dem damit notwendig verbundenen „Schema der Zeit“ (ebd. S 86, Z 4) und dem damit verbunden „Gefühl“ (ebd. S 86 Z 6) wird anschaulich und praktisch realisiert, was den transzendentalen Bedingungen der Wissbarkeit nach notwendig vorausgesetzt werden muss.
M. a. W., in der Konkretisierung des Wissens inkarniert sich zeitlich und geschichtlich die Geltungsform des Ich als Ganzes, wobei natürlich, so interpretiere ich das, verschiedene Grade (Stufen) der sittlichen Validierung und sittlichen Konkretisierung der Wahrheit (und des Guten und Schönen und Einen) möglich sind, je nach Wissensbereich der Selbstbestimmung und Bestimmung. So ist z. B. die praktische Konstitution eines anderen Ich innerhalb der Ich-Struktur des Wissens, mithin eine vorausgesetzte Mehrheit von Ichen, aus der sich eine Individualität als individuelles Ich erst auszugrenzen vermag, vom Geltungsgrund anderer Freiheit her gesehen und vom Geltungsgrund einer moralischen und idellen und religiösen Gemeinschaft her ein höherer Wert als eine bloß naturale, sinnliche Gefühls-Erfahrung. Trotzdem bedingt auch eine naturale Erfahrung eine rechtliche und moralische und religiöse Erfahrung mit. Es ist eine „Stuffenleiter“ des verstandesmäßigen Zusammenhangs der Erfahrung (der Wirklichkeit) .3
„Nun müste dieses Leben des absoluten, als sein Leben gesezt werden; denn ausserdem wäre es gar nicht (der bekannte Beweiß:) Dies ist aber nur möglich durch den Gegensatz, mithin müste das substantielle durchaus zum Als werden: in sich selber construirt seinem qualitativen Inhalte nach… Dies nun durch aus wie es ist; also absolut als fallend in das leere Schema der Zeit. (. Sind durchaus u. ganz die obigen Punkte; nur hier mit dem Beisatze des/Schema:).-. So alle Punkte: Gefühl; Ich: -äusseres Ich in der Reflexion.“ (ebd. S 85. 86 Z 36ff)
FICHTE bleibt einerseits ganz in der Sphäre des Denkens und der möglichen Deduktion des Wissens, aber er vergisst andererseits nicht, dass alle Reflexion „Nachkonstruktion“ ist, inhaltlich legitimiert und gerechtfertigt in und aus der Genesis eines absoluten Wissens und einer absoluten Äußerung des Lebens.
Sehr schön formuliert: „Das Ich in specie schreibt sich nur die Nachconstruktion zu, sein ergriffenseyn vom Leben ist die Vorconstruktion.“( ebd. S 12)
„Damit ist das absolute Leben unzertrennlich vereinigt, u. es geht als solches nicht auf, ohne mit der Nachconstruktion, wie bewiesen. Es fällt daher, als solches durchaus in die Zeit, [/] weil eben sein als von der Zeit unzertrennlich.-. Das nachconstruirende Ich construirt innerhalb der Zeit des absoluten Ich, schlechthin von sich: heißt[:] alles was davon abhängt, fällt absolute in eine Zeit, innerhalb einer Zeit; einer Zeit als Zeit: d. h. er scheint als frei, u. innerhalb einer Disjunktion. (sc. der Disjunktion zwischen Soll und Faktizität des Wissens, zwischen Denken und Sein, zwischen idealer Selbstbestimmung und idealer Bestimmbarkeit und realer Bestimmung und Bestimmbarkeit fällt in das Zeit-Schema.)“ (ebd. S 86 Z 20ff)
Das Schema der Zeit trägt „ein inneres Gesetz der Füllung“ (ebd. Z 33) in sich, sodass ipso facto in der angeschauten Faktizität des sich äußernden Lebens die Materie des Was-Seins immer nur zugleich mit der Anschauungsform der Zeit auftritt.4
Zugleich setzt sich aber das Ich in seiner Reflexion als Prinzipsein dieser Zeitfüllung davon ab. Das Ich ist bereits, mit einem Ausdruck v. F. BADER, „substantieller Denk- und Selbstbestimmungsakt“, ist schon eine Geltungsform, die überzeitlich auf einen Inhalt bezogen ist, dessen Form sie ist.
Wird hingegen in der Nachfolge KANTS in der Erscheinungswelt der Dinge die faktisch vorfindbare „Urdisjunktion“ von Soll und Faktizität nicht mehr aufgelöst, kommt es zu den realistisch/idealistischen Einseitigkeiten. Es wird dann die Zeit als realistische Zeitanschauung vorausgesetzt, worauf sich objekthaft bzw. subjekthaft das Denken bezieht. Die im Licht und im übergehenden Willen sukzessiv entstehende Zeitvorstellung wird nicht mehr durchschaut.
Nach FICHTE verläuft es analytisch und synthetisch: Die Form der Einbildungskraft bezieht sich notwendig auf einen materialen, qualitativen Gehalt des Wissens – wie KANT auf dem Prinzip der Erfahrung bestand in der Bestimmung der transzendentalen Erkenntnisart -, aber gerade an und in diesem Gehalt (Hemmung oder Anstoß oder interpersonalem Aufruf) verzeitet und versinnlicht sich der Setzungs- und Seinsgrund des Bewusstseins.
Es ist eine Form einer sich-verzeitenden Selbstanschauung in der Einbildungskraft – nicht unterbestimmt in der Form des objektivistisch vorausgesetzten „inneren Sinnes“ wie bei KANT – aber auch nicht überbestimmt in der Form eines göttlichen Verstandes, der zugleich anschaut, was er begrifflich denkt.5
Sobald nur von einer „Urdisjunktion“ gesprochen und ausgegangen würde, wäre die transzendentale und unzeitliche Ich-Einheit verspielt. Das reine Denken fällt dann in diese Urdisjunktion – und reflektiert nur mehr das Sein als zeitliches Sein – wie es z. B. bei HEIDEGGER zu lesen ist.
Aber das ist bestenfalls nur ein nachkonstruierendes Wissen, ohne Auskunft, wie und warum es zu dieser Disjunktion von Denken und Sein in der Zeit und zu einem schematisierenden Tun kommt.
„Damit dies deutlich werde: wie schliessen denn die verschiedenen Standpunkte sich aus? offenbar, nur zu derselben Zeit: du hast daher die Zeit überhaupt; u. innerhalb dieser sich ausschliessende u. entgegengesezte Zeit Erfüllungen.. Die Urdisjunktion ist die innerhalb der Zeit: u. in sie fällt das reinste Denken. Freiheit: drum Principseyn der Zeit, die ein inneres Gesez ihrer Füllung trägt, innerhalb der nur durch dieses Princip selbst, d. i. durch das Ich gefüllten Zeit. Freiheit erscheint ursprünglich nur (vom Lichte mitgebracht; der Schein der Freiheit des Handelns ist ganz ein anderer, und von ihm reden wir nicht) wenn sie vergeben ist: – ist erklärt: die absolute Erscheinung eines freien Aktes innerhalb der Freiheit. (ebd. S 86 Z 28ff)
Die Freiheit kann als solche auf der Erscheinungsebene nicht eingesehen werden – das klingt hier noch ganz kantisch – aber gerade deshalb, weil sie die „Urdisjunktion“ begründet und logisch die Faktizität von deren Prinzipierung unterscheidet. (Freiheit könnte höchstens mit „absoluter Erscheinung“ umschrieben werden, wie im Zitat ausgedrückt: „absolute Erscheinung eines freien Aktes.“)
FICHTE ist mit dieser Ableitung einer praktischen Anwendung im sich-bildenden Schema einer Zeitform und dem damit einhergehenden Selbstgefühl noch nicht zufrieden. Denn es kommt ihm der Verdacht, dass uns hier die Sprache täuscht. „Bildens ist‘s“ – wie ist das der transzendentalen Wissbarkeit nach möglich?
„Resultat: das Leben des absoluten d i. seine Aeusserung ist daher absolut Eins; u. daß wir es eben doch nur (durch) eine, eine Disjunktion an sich tragende Formel (sc. absolutes Licht und absolute Geltung in der Geltungsform des Ichs – und Vorstellung der Erzeugung eines Schemas der Zeit und verschiedener Standpunkte des Wissens) haben beschreiben können, komt vielleicht grade von der Beschreibung. Von ihr können wir, als an sich ungültig abstrahiren. Nur indem es mit dem als durchdrungen, u. objektive als, abgesondert wird, geht im Lichte Disjunktion, Zeit, u. Freiheit auf, die nur mittelbar seine Wirkungen sind. -. Als, Bilden ist’s. – Disjunktion überhaupt. Ob nun diese etwa eine besondre ursprüngliche Form trägt, davon in der nächsten Stunde.“ (ebd. S 87 Z 17ff)
19. Stunde
„Daß das göttliche Leben unmittelbar im Leben auf der That ergriffen werde und sey“ (ebd. S 87 Z 35) ist jetzt die Aufgabe.
Das Absolute soll als Gedanke gefasst werden, der in uns das Dasein setzt, und die Äußerung des göttlichen Lebens begreifbar macht. Der Gedanken und das Denken soll Prinzip werden, aber wie ist das zu denken?
„Der leichteste Weg ist zu reflektiren, daß das göttliche Leben unmittelbar auf der That ergriffen werden müsse, (das] * haben wir doch selbst gesagt, u. immer willkührlich, und ohne Princip, es sey denn, weil wir etwas erklären wollten, was aber selbst kein absolutes Princip giebt. Wir sind ausgegangen von der Voraussetzung: das absolute aeussere sich, u. dies war unser absolutes Princip.-.
1.) offenbar ist dies nun eine Einheit des Gedankens durchaus ohne alle Disjunktion: wir haben das absolute, klar, u. deutlich * gedacht, als solches: d[as]. A[bsolute]. a[ls]. A[bsolutes). mit der Aeusserung: Die Disjunktion die wir früher behaupteten: das absolute äussert sich, als sich äussernd als solches fällt hier gänzlich weg. (ebd. S 88 Z 5ff)
FICHTE ist hier deutlich zuversichtlich – in der 20. Stunde wird er das nochmals problematisieren – : Die Äußerung des Absoluten in der Einheit des Denkens und in einem einzigen Prinzip – sie tritt hier „lediglich faktisch“ (ebd. Z 24) hervor. „Es lässt sich dies durchaus in der Einheit eines Denk-Aktes ohne allen ZeitUnterschied fassen: (…)“ (ebd. Z 25)
„Nun ist der angeführte Gedanke: das absolute äussert sich; er ist also selber der Ausdruk, u. die qualitative Beschreibung des Lichts, als seyend u. innerhalb seines Seyns,-. Unmittelbare ursprüngliche, u. authentische Beschreibung; keinesweges des Lichts als solchen innerhalb des Lichts; wir haben nicht gesagt: das Licht ist das Absolute sich äussernd, das sagten wir erst hinterher erklärend, * sondern: das absolute äussert sich.-. An dergleichen). scharfe Unterschiede, ohne welche man nie zu dem höchsten kommt: oder es ahnend, im Zirkel herum getrieben wird, haben wir uns sattsam gewöhnt. (ebd. S 89 Z 11ff)
Lässt sich durch Denken der „Grund des Seyns ursprünglich und authentisch“ konstruieren, „eben das lebendige äussern in seinen Aessern: unmittelbar, u auf der That. (…)“ (ebd. Z 28)?
Es ist eigentlich ein Widerspruch enthalten: Das Denken soll das Sein fassen und das Nichtsein, als modi des Sich-Äußern des absoluten Seins. Sie sollen als modi des Wissens im Wissen deduziert werden, „einmal in seinem Seyn, einmal in der Erzeugung dieses Seyns.“ (ebd. Z 36f ). Im „als“ des Denkens zerspaltet sich das Licht und führt zu der Disjunktion Sein und Nichtsein bzw. zur alten Disjunktion Denken und Sein (Anschauung).
„Rechenschaft: das Als intelligirt, als eigentlicher Spaltungs- * Grund: drum höher als vorher: da hatten wir die Spaltung nur einseitig in dem einen Gliede (durch das Soll des Zweckbegriffes gedachte Sein?) u. hatten sie drum auch nicht ihrem Inhalte nach; wollten sie auch nicht haben. Diese Spaltung fals sie fortwährend statt findet, wie dies denn wohl A. B. C. nebst den dazwischen noch vermutheten Verbindungsgliedern seyn dürfte (sc. die im Soll in Wechselwirkung stattfindende ideale Selbstbestimmung und reale Bestimmung) ist überhaupt, nicht die primäre, sondern nur eine secundäre; erst aus der höchsten abzuleiten. Aber das als selbst steht noch faktisch da: keineswegs intelligirt; drum eben auch die Spaltung, die wahre Einheit fehlt noch. Um vorzubereiten: Ich sage das Seyn, und das Werden des Lichts ist an sich gar nicht geschieden, sondern schlechthin Eins, u. diese Einheit läßt sich sogar einsehen. Denn das Licht ist das sich äussern des absoluten: Nun ist dieses sich äussern durchaus u. schlechthin alles Daseyn, und es ist ausser ihm nichts. (…) „ (ebd. S 90 Z 5ff)
FICHTE ist hier leider wiederum so kurz, wenn er das Als des Denkens als einheitliches Prinzip aller vierfachen bzw. fünffachen Entfaltung des Wissens in Idealform ableiten will, dass ich mir nicht sicher bin, wie er die Einheit des Prinzips allen Wissens meint oder haben will?
Der Schlüssel liegt m. E. in dem Gedanken des „energischen“ Denkens (ebd. Z 27) und im „innerhalb eines anderen soll, eben als ergreifende und bewegende Kraft“ (ebd. S 91 Z 2)
„Es ist der schwerste, ja ein fast unaussprechlicher u. unmittheilbarer Gedanke, auf den es hier ankommt. Später durch den natürlichen Gegensatz kann ich wohl deutlich machen. Jezt den künstlichen Gegensatz also: Denken Sie sich, daß das absolute sich äussere, so bleibt es in dieser Aeusserung eben in sich geschlossen, eben so wie es in seiner inneren Existenz war: u, es kommt nie zu einem als, oder zu der äussern ExistentialForm. In fortgehender, u. Zusammenhängender Einsicht nimmer. Nun soll es dazu kommen schlechthin: – u. da das Ganze nur die Aeusserung des absoluten ist[,] durch ein soll im absoluten selber. Mithin ist diese äussere ExistentialForm, u. ihre Bedingung, das Als des Wissens, Resultat eines absoluten soll im absoluten, Wirkung per hiatum, die in gar keiner zusammenhängenden Einsicht construirt werden kann.-. Nach Analogie mit uns: Soll ist ein Gedanke: Also der göttliche Gedanke ist Grund. -. Es ist eine rein, u. absolut geistige Wirkung, die eben durch das soll ausgedrükt wird. Der lebendige Gedanke seiner Existenz ist die Existenz selbst: zunächst seine eigne, u. sodann die des Wissens, als die Bedingung davon[:] [/] Er existirt nur in dem schaffen- den Gedanken, als Gedanken, seiner Existenz; dieser Gedanke aber ist der Gedanke schlechthin, u. es giebt keinen Gedanken. u. kein Denken ausser ihm.“(ebd. S 91 Z 11ff)
Welche Synthesis der Erkennbarkeit kann das sein, das Soll einer Wirkung in und aus dem Absoluten, aber nur per hiatum erkennbar?
Die Existenz eines gedanklichen Soll – „der göttliche Gedanke ist Grund“ (ebd. Z 26) – und davon geht „eine rein, absolut geistige Wirkung“ (ebd Z 27) aus?
FICHTE wechselt zum „nächsten Schluß“ (ebd. Z 34), sodass das „Als“ als diese geistige Wirkung selbst interpretiert werden kann. Er beschreibt dieses Denken und den Gedanken näher als ein Denken in uns selber,
„wobei wir nicht weiter objektiviren können, sondern uns durchaus an uns selbst halten müssen, weil wir das charakteristische u. wesentliche der W.L. selbst geworden sind. Ein Soll im absoluten, als Soll, in ihm, drum objectiviert, u. entäussert: Im reinen Denken, d. h. zuvörderst Grund suchen, sondern aufgehen in dasselbe ohne alle Construktion, lag diese: Es entäussert sich also durch sich selbst. – Grund setzen, Principiiren ist das vorausgesezte: dies nun in seinem Seyn flieht sich absolute, drum eben per hiatum, in welchem sich fliehen Anschauung mit liegt: durchaus herkommend aus dem Denken: dieses nicht aus ihm.“ (ebd. S 92 Z 12ff)
FICHTE will den göttlichen Grund aller Entäußerung und Genesis des Absoluten im Denken festmachen, denkt den Grund einerseits als sein-sollendes Einheitsprinzip, und weil er es als Prinzip fassen will, wird es andererseits ipso facto objektiviert und entäußert. Das absolute Sein verträgt sich begrifflich nicht mit einem Werden oder einem Nichtsein, es „flieht“ zugleich diese Entäußerung – und gerade deshalb entsteht damit die Anschauung, ein ideales Hinausgehen und Fliehen und eine Grenze der Unterscheidung.
„Dreifachheit“ entsteht (ebd. Z 22) „Seyn – sein Seyn erzeugen: Anschauung in der Mitte.. Alles faktisch begründet in dem absoluten Soll, qualitativ das als selber zu dem selben.“ (ebd. Z 23f)
Von der gedanklichen Absolutsetzung eines göttlichen Grundes, der nur per hiatum gesetzt worden ist, soll dieser Gedanke selbst wieder sein.
„dies folgt aus ihm als realem Ausdruke des soll in ihm: schlechthin, ohne sein Zuthun, Wissen, oder des Etwas; u. zwar continuirlich [,] nicht per hiatum: eben weil es für uns, die W. L folgt: (ebd. S 92 Z 26f)
„a) absolute als sezt Anschauung, Objectivität: b.). Der Gedanke in seiner wesentlichen Form ist principiiren, absolut sich fliehen: inneres organisches durch: hier innerhalb der Anschauung seiner selbst, und seinem eigenen continuirlichen Seyn:-. Wie denn nun: offenbar zwischen seinen zwei Gliedern: seinem u Seyn, u. seiner Genesis, Idealismus, u. Realismus.
Woher diese-. Als der Anschauung in sich selber: zum Behuf der Anschauung des Denkens: welche Anschauung nun ganz offenbar Evidenz ist, u der Form nach Wechselwirkung.“ (ebd. S 92 Z 29ff)
Die begriffliche Durchdringung des göttlichen Grundes führt auf eine Als-Einheit/ Bildeinheit/Reflexionseinheit, die in Funktion einer Ableitung aller begrifflichen Idealformen und realen Anschauungsformen („Anschauung seiner selbst und seinem eigenen continuirlichen Seyn“) in und aus der Einheit eines Prinzips hervorgeht, hier „Fünffachheit“ (ebd. S 93 Z 6) (oben „Dreifachheit“ S 92 Z 22) von ihm genannt.6
20. Stunde
Denken und Anschauung sollen noch inniger auseinander hervorgehen, zu einem Prinzip verschmelzen, ehe durch die Zeitform sowohl ein hiatus angezeigt, wie zugleich durch conditionales und causales Denken dieser hiatus der Zeitform wiederum überbrückt und geschlossen werden kann – „Nun zur Realisierung der Befangenheit in der Zeit“ – ebd. S 93, Z 10)
M. a. W. aus der 19. Stunde gefolgert: Der Zusammenhang eines conditionalen Denkens (des göttlichen Gedankens, des göttlichen Grundes) und einer anschauungsbedingten Kausalität, einer „geistigen Wirkung“, ist ein „absoluter Ausdruck des Wesens des Lichtes von seinem Seyn aus, u. innerhalb seines Seyns. (…)“ (ebd. Z 21)
FICHTE spricht hier: als „Leitfaden hingestellt“.
„Diese Grundsynthesis vorläufig.-. Nun will ich gleich mein Verfahren ankündigen: Ich werde diese eben hingestellte Grundsynthesis nicht etwa also lassen, wie sie ist, u. nun aus ihr folgern: sondern wir wollen sie selbst vermittelst eines neuen Princips durchdringen u in dieser Durchdringung dürften vielleicht die Glieder A. B. C. sich finden.-. Sie ist daher, wenigstens ihrem tiefern Theile nach nur provisorisch, u als Leitfaden hingestellt.“(ebd. S 93 Z 12ff)
Der „absolute Gedanke“ kam bis zum „als dieses Soll“ (ebd. Z 25) – und ergab ein einziges Prinzip mit einer Dreifachheit oder Fünffachheit von Haupt-Geltungsformen.
Es liegt einerseits immer ein „absoluter hiatus“ vor, was den Gehalt der Geltung des dreifachen bzw. fünffachen Hauptprinzips betrifft, aber die Geltungsform des Gehaltes offenbart sich „in zusammenhängender Einsicht“ des sich selbst beobachtenden, wissenschaftlichen Vorgehens.
Wenn das Licht als Als (eines Solls) eintritt, ist einerseits der Gehalt des Denkens dem Wissen transzendent, andererseits ist die Geltung des Gehaltes doch immanent im Denken und Wissen gesetzt. M. a. W., das Denken (des Gehaltes) ist per hiatum einerseits absolut begründet, andererseits nicht absolut begründet, sondern nur faktisch, sobald faktisch über die Geltungsform reflektiert wird.
Wie kann die faktische Geltungseinheit in der Funktion einer Form eines absoluten Geltungsgrundes ausgedrückt werden? Die Form muss ein „lebendiges Denken“ sein, ein „genetisches Princip des Seyns des Denkens“, ein „Ich denke“ als universales Prinzip vieler Iche, „anders als oben in der Anschauung.“
„Jezt intelligirend: wie und unter welcher Bedingung ist es möglich.- Laut des obigen: Im absoluten denken ist Seyn, u. Genesis desselben absolut vereinigt: drum die Genesis des Seyns zu diesem denken: im absoluten denken selber: das sich denkt: – also Ich; wohlgemerkt, als Resultat des Denkens des Denkens, das niemand denkt, sondern das in sich selbst ein lebendiges Denken ist: genetisches Princip des Seyns des Denkens: also ich denke. (wodurch nun das faktisch sich anfügende wir erklärt wäre.) Hier ist daher gar nicht mehr unser Denken, sondern ein sich selbst durch sich selbst machen des Denken: das Objekt der W.L. hebt an. 1.). Ich demnach Resultat des absoluten Denkens des Denkens, u in specie des genetischen Denkens: drum eine ganz andere Erzeugung, als die oben in der Anschauung.“ (ebd. S 94, Z 5ff)
Wird dieses Einheitsprinzip in specie des genetischen Denkens gesehen, so ist das Denken hier sogleich „absolutes sich fliehen“ (ebd. S 94 Z 18), „eben zum Thun: weil es als Princip gefaßt worden.“
Die Geltungsform des „Ich“, immer schon angesetzt, zeigt sich jetzt näher und genauer betrachtet, als lebendiges, tätiges Ich, als inhaltsreiche Geltungform von interpersonalen und anderen Bezügen, universales Ich in individueller ganzheitlicher Vermittlung, oder besser gesagt, in individueller Vermittung! (R. LAUTH) einer geistigen Einheit, „Wollen-in-actu“ innerhalb einer interpersonalen Einheit.
FICHTE geht in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das Ungenügen eines nur logischen Denkens ein, weil das „denkende“ (Ich) nur dann absolut vorkommt, wenn es „lebendiges Denken ist: genetisches Princip des Seyns des Denkens“ (S 94 Z 11), es ist ein „sich selbst durch sich machendes Denken: das Objekt der W.L. hebt an.“ (ebd. Z 13).
Es soll das „Wesens“ des Denkens (S 95 ebd. Z 6) erfasst werden:
„Also: setze absolutes Denken: so bekommst du ein soll; u. verstehst es in seinem Wesen; wiederum setze das Soll, als seyend, so bekommst du ein Denken, und verstehst es in seinem Wesen: u. so erklärt sich beides gegenseitig, vollkommen klar, wie es mir scheint.“ (ebd. S 95 Z 5f)
Ja, es mag FICHTE schon klar gewesen sein – muss ich schmunzeln!
Der Wechsel kommt m. E. dadurch zustande, dass einmal das göttliche Soll in einer bloßen Möglichkeitsform des Wesen des Denkens gedacht wird, d. h. abstrakt, und dann umgekehrt, wenn das Soll seiend gesetzt ist, das Wesen des Denkens von diesem Soll gesetzt ist durch die Geltungsform des Ichs vermittelt. Das Soll bedingt dann (in concreto der wirklichen Vermittung) das (zweite) Wesen des Denkens.7
M. a. W. einmal wird das Sein des Denkens in seiner Funktion, als „in sich selber“ (ebd. S 95 Z 32), beschrieben – („nicht des Ich (…) noch des Absoluten“) (ebd. Z 34) – per abstractionem -, dann wird es aber auch „faktisch intelligirt“ (…) giebt soll, u. soll denken.“ (ebd. S 96 Z 1)
Es folgen noch nähere Abgrenzungen des Denkens (vgl. ebd. S 96), um schließlich aber zur Grundfrage zurückzukehren, was ist die Faktizität dem Denken nach:
„Was aber trägt denn ihre Fakticität? (sc. diese obige Behauptung, dass das vorausgesetzte absolute Soll des Seins mit dem faktischen Sein zusammenhängt) . Zuförderst: was ist sie in ihrem innern Wesen -. Wir haben es gesehen: ein Setzen der objectivirenden Anschauung, d.h. des Grundes, u. Schöpfers der Existenz, als ursprünglich frei u. nur unter einer gewissen Bedingung zu bindend. -. Setzen der Existenz in ihrem Wesen drum überhaupt: u. zwar genetisch, d.i. zur Existenz der Existenz, oder zur Existenz als solcher fortgehend. Die Existenz als solche = wirkliches Daseyn aber ist wieder das immanente Seyn innerhalb der äussern ExistentialForm. Nun ist dieses immanente Seyn hier ein absolut in sich lebendiges – sich fliehen = Denken; drum wird ein Denken ohne denkendes gesezt, wie gesagt: u. der Inhalt der frühern Synthesis ist vollkommen erklärt.. Definition: Die Anschauung ist der actus existentialis, so wie das Denken der actus essentialis ist: – die absolute Anschauung ist immanente Genesis der Existenz als solcher: [/]d.i. im Denken[.] Dies ist sie absolut: u. daher entsteht das bindende u. zusammenhängende zwischen dem an sich völlig entgegengesezten Princip u. Principiat, die Ausfüllung des hiatus. Das Licht eben als solches: ist höchst wichtig: denn es erklärt das beisammen bestehen der Disjunktion, u. Conjunktion.“ (ebd. S 97 Z13ff)
Man wird erinnert an DESCARTES, der die mögliche Täuschung an und in der Existenz des eigenen Ichs aufhebt durch Rekurs auf die „veracitas Dei“.
Hier bei FICHTE: die objektivierende Anschauung ist legitimiert durch „das immanente Seyn innerhalb der äußeren Existentialform“, mithin legitimiert durch das Denken innerhalb der Geltungsform des Ichs – und umgekehrt, das Denken gibt es erst durch die Anschauung, ebenfalls vermittelt in und durch die lichthafte Geltungsform des Ich .
M. a. W., die existente Anschauung ist begründet durch das abstrakte Denken eines Seinsollens, und umgekehrt ist das Denken in concreto bewiesen durch die äußere Existentialform, durch „wirkliches Daseyn“.8
Der actus existentialis der Anschauung bedingt in concreto den actus essentialis des Denkens und umgekehrt bedingt das Denken per abstractionem die Anschauung, sofern die lichthafte Geltungsform Ich/Ichheit den Wechsel vermittet. Es entsteht „das bindende u. zusammenhängende zwischen dem an sich völlig entgegengesezten Princip u. Principiat, die Ausfüllung des hiatus.“
M. a. W., die äußere Existentialform des Anschauung wird zurückgebunden auf die innere Existentialform, die zuallererst behauptet wird von der ERSCHEINUNG des Absoluten in seinem Dasein, ergo ist die objektivierenden Anschauung selbst zurückgenommen auf die innere Existentialform, ist Teilhabe an der lebendigen Idee der ERSCHEINUNG – und umgekehrt kann per abstractionem die Möglichkeitsform der Rückbindung an die ERSCHEINUNG nur erfolgen, weil in concreto die lichthafte Geltungsform des Ich dieses immanente Sein der ERSCHEINUNG schon objektiviert hat in der objektivierenden Anschauung. „Das Licht eben als solches: ist höchst wichtig: denn es erklärt das beisammen bestehen der Disjunktion, u. Conjunktion.“
Der actus existentialis und actus essentialis ergänzen sich bzw. sind eins, denn per abstractionem ist die Existenz die Essenz, und in concreto ist die Essenz die Existenz. Das Denken des Solls bleibt zurückgebunden an die konkrete Anschauung, und die Anschauung an das essentielle Denken eines Solls. 9
FICHTE ist sich jetzt der bloß hypothetischen Einführung von Denken und existentiellem Sein (objektivierende Anschauung) völlig bewusst. Er nennt diese Denken hier selbst „äußere Existentialform“ (ebd. S 98 Z 2). Es ist noch nicht geklärt, wie es zu dieser Scheidung und doch auch bleibendem Zusammenhang des hiatus (von Denken und Sein) durch die lichthafte Geltungsform Ich kommen kann.
Das Denken wäre für sich hier geschlossen und weiter als bis zur objektivierenden Anschauung und Existenz des faktischen Bewusstseins (als Bestätigung in concreto des Denkens) kann es nicht gehen?
Dieses faktisches, intelligierenden und doch auch wieder anschauungsbedingte, intelligierte Bewusstseins soll weiter den transzendentalen Bedingungen der Wissbarkeit nach analysiert werden: Es ist ein Setzen, das sein muss, „(…du) bist das Setzen schon u. dein zweites Setzen ist nicht das ursprüngliche , sondern ein aus der zweiten Hand nachgemachtes, (…) (ebd. Z 32); „Ich, wesentliches, von dem die Ichheit eben unzertrennlich ist (…)“ (ebd. Z 35)
Dieses Ich ist nicht eine „Substanz“ wie bei Spinoza, sondern „Ich = ExistentialAkt. lebendige Existenz, durchaus u. schlechthin..- Sie sehen in ihm den Charakter des Denkens, des sich fliehens, den der Anschauung die Continuität: u. eben in der absoluten Vereinigung dieser Charaktere besteht es.“ (ebd. S 99 Z 5f)
FICHTE analysiert diese Einheit weiter, weil er einsehen will, wie es zu einer Genesis des Denkens eines Seins in einem Ich und als Ich kommen kann: Gerade in dieser Geltungsform (Wissensform) von intelligiertem Sein und objektivierender Anschauung besteht die unmittelbarer Anschauung des Ichs.
Was aber vielleicht jetzt wieder untergegangen ist – diese Geltungsform des Ich/der Ichheit bedarf notwendig der Zeitform, damit das conditional und im Denken erworbene Soll der ERSCHEINUNG des Absoluten kausal wirksam werde – und umgekehrt zeigt das in concreto gesetzte Wesen des Denkens in äußerer Anschauung und Wirksamkeit das Soll der ERSCHEINUNG des Absoluten.
Die ideale Reihe der Geltungsform Ich/Ichheit verzeitet und inkarniert das Denken des Solls der ERSCHEINUNG – die reale Reihe der Geltungsform Ich/Ichheit verzeitet und inkarniert die Anschauung des Denkens der ERSCHEINUNG des Absoluten. Soll es zu einem Sich-Bilden des Ichs/der Ichheit kommen, so müssen alle diese idealen und realen Formen der Anschauung und des Denkens in einer Geltungsform zusammen bestehen, Dreifachheit/Fünffachheit des Wissens
„Die Genesis des Ich in der unmittelbaren Anschauung ist schon oben nachgewiesen. Unmittelbare Kausalität des absoluten soll zum Halten des Nichts, eben drum als solchen. also in einer Linie. -. In der Anschauung , habe ich gesagt: u. als der absolute Charakter der Anschauung fand sich oben die Continuität: Dieser ist hier, drum ist es: hiatus, dem vor allem Denken, das erst das Pr[in cip]. u.P[rincipia]t. als das durch den hiatus getrennte herbei führt[:] zu Grunde liegt das absolute Nichts: Darin das festgehalten werden in unmittelbarer That Erzeugung des Ich.-, absolute Zeitfüllung in absolut leerer Zeit. / es ist da noch ein Vorgriff, der sich sogleich erklären wird.
– Kein Ich, kein Bewußtsein: aber keine in sich selbst genetische Anschauung des Ich, kein Ich: alles ist unzertrennlich:-. In sich genetische, habe ich gesagt: daß man darüber mich ja richtig verstehe, denn ohne dies hätte man die ganze obige Erörterung misverstanden. Nicht etwa, daß die genetische Anschauung das absolute soll als solches, unmittelbar fasse; dies thun nur wir als W.L. – nicht als solches, sondern eben schlechtweg: sie trägt in sich den Charakter der Vollendung und Geschlossenheit: also nur Zeit, faktisch, ohne den Grund derselben.“ (ebd. S 99 Z 20ff)
Es sind das für mich sagenhafte Stellen, weil FICHTE nie usurpiert, das Absolute bloß als Form erreichen zu wollen, um daraus alle möglichen Realitätsschlüsse zu ziehen (wie SCHELLING, wie HEGEL), aber doch eine Genesis in und aus der Existentialform der ERSCHEINUNG des Daseins des Absoluten behaupten kann, beginnend mit einem kategorischen Soll, endend mit einer teleologischen Form der zeitlichen, projizierten Vollendung und Geschlossenheit der Äußerung des Absoluten.
Die Ableitung der Faktizität aus dem Denken und der objektivierenden Anschauung wird begrifflich analysiert und wieder in Einheit zusammengefasst , wie gesagt, durch die Geltungsform des Ich/der Ichheit, worin sich das Absolute als reiner Gedanke (per abstractionem) in uns setzt, sofern wir überhaupt (in concreto) sind. Zu Bedingungen der Freiheit kann dieser Gedanke zeitlich und geschichtlich nachkonstruiert und selbstständig gebildet werden.
Es folgen abschließende Beschreibungen dieser Geltungsform Ich/Ichheit.
„In diesem Denken (sc. des Wesens und der genetisierenden Anschauung) ist es stets Princip, eines Denkens, oder da alles Denken der Existenz auf Anschauung beruht, vielmehr eines Anschauens: kurz eines Bewußtseyns … Selbst in der Zeit: also eines Bewußtseyns in der Zeit eines die Zeit bestimmenden u. andere Zeit ausschliessendes, mithin eines bestimmten u. in der Zeit bestimmbaren Bewußtseyns. Bemerken Sie: das Ich ist Princip diser continuierlichen Aufüllung; es macht daher diese Zeit in der Zeit. Das continuirliche aber, was das Ich als solches macht, heißt Zeit; u. so ist der obige Vorgriff gehoben.“ (ebd. S 100, Z 10ff)
Die zeitliche Auslegung des wesenhaften Denkens und der existentiellen, objektivierenden Anschauens schafft zwischen den idealen und realen Seinsbereichen hiathafte, verschiedene Erscheinungs-Zeiten, und umgekehrt sind die zeitlichen Trennungen der verschiedenen idealen und realen Seinsbereich in der Einheit des Bewusstseins in einer Entscheidungs-Zeit ebenso wieder vereint.
„– Ein für das Ich, u. seinen Akt continuirliches dasselbe evidenzmässig fortreissendes; ein in der Folge der Bestimmungen des Lichts zusammenhängendes, in sich zu einem organischen Ganzen, von dessen jedem Theile zu allen. Dagegen wird das, was nicht in dieselbe Zeit [/] wohl aber in eine andere innerhalb der Einen Zeit fallen kann, dasjenige seyn, das per hiatum in der Anschauung geschieden ist, ein anderes synthetisches AnschauungsPrincip hat, nur durch Denken, das eben für den hiatus dient, zu vereinigen.“ (ebd S 100, Z 19ff)
Das Denken hat – durch die Geltungsform des Ichs/der Ichheit prinzipiiert – eine ihm zugewiesene, spezielle Funktion bekommen – „das (es) für den hiatus dient“, d. h. dass es zu einer abgeleiteten, verstandesmäßigen Differenzierung kommen soll, möglichst anschauungsgemäß die Mannigfaltigkeit in ihrem je zugewiesenen Seinsbereich (der Natur, des Rechts, der Moral, der Religion) zu bestimmen und zu definieren. Aber natürlich gilt auch umgekehrt, dass es die Funktion bekommen hat, die verschiedenen Trennungen der Wissensprinzipien wieder in einem System zu vereinen und zusammenzufassen. Im „Selbstbewußtseyn ist geschieden“ (durch die mitlaufende zeitliche Füllung), was im absoluten Bewußtseyn oder dem reinen Denken schlechthin Eins ist.“ (ebd. Z 30) 10
21. Stunde
Die Faktizität des Wissens oder Bewusstsein soll nochmals aus der Sicht des einen Prinzips angesehen und reflektiert werden.
In der 1. Stunde der Ankündigungen der GSRL hat es FICHTE so angesprochen:
„Es geht aus dieser Bemerkung hervor, wie zweckmässig es ist, die Principien der drei Theorien, die wir angekündigt haben, vereint vorzutragen; ja daß sie eigentlich, wo es auf tiefe Klarheit, u. Gründlichkeit ankommt, gar nicht anders, denn vereinigt vorgetragen werden sollten. Die verschiedenen Principien werden nur gegenseitig durch einander hindurch, vermittelst ihrer Einheit, u. ihres Gegensatzes zugleich, klar verstanden, und ein einzelnes kann für sich, u aus sich selber nie deutlich werden. (…)“ (ebd. 1. Stunde, S 8 Z 6ff)
M. a. W., im prinzipierenden Ich liegen die Wissensmomente, „dass es dasey, objektiv“ und „als solches dasey: intelligiert“ (ebd. S 101 Z 12), allesamt alle in der Einheit des Ichs verbunden und auseinander hervorgehend.
Ich interpretiere: Wird z. B. das stehende Objekt der sinnlichen Natur näher bestimmt, so wirkt das zurück auf die Rechtslehre und umgekehrt, eine Zweckgerichtetheit in der Natur kann praktisch nur durch die Rechtslehre erkannt und hineingelegt werden. Aber auch die Sittenlehre und Gotteslehre bestimmen je nach objektivem oder subjektivem Standpunkt die Natur- oder Rechtslehre mit – und wieder umgekehrt. Es geschieht zugleich immer eine Einzel- wie Gesamtmodifikation des zu bestimmenden Bereiches durch das Prinzip des Ichs, dem Grundprinzip des Erkennens und Wollens und Handelns. Das ganze faktische Sein des Wissens/Bewusstseins ist bedingt durch das teleologische Denken und umgekehrt, das teleologische Denken ist bestimmt durch ein kategorisches Denken.
„Absolutes zusammenfallen der zwei Arten der Principheit: der faktischen, u. der innerhalb der Fakticität, oder der teleologischen:-. herkommend aus der absoluten Qualität des Wissens, daß es schlechthin und ohne Ausnahme innerhalb seines Seyns sich erklärt: oder, nur in seiner SelbstErklärung ist. (Wer nun nur dies lebendig einsieht, u, es merkt, der wird dadurch fähig die ganze Synthetik der W.L. stets wieder zu reproduciren…(ebd. S 102 Z 3f)
Warum ist FICHTE diese systematische Sicht des Wissens und der Zusammenhang der verschiedenen Hauptbereiche des Wissens so wichtig?
„Jezt zur Bestimmung: der ich nur den Grundsatz voraussetze: daß so gewiß das Ich in seiner realen Genesis intelligibel ist, wie ja behauptet worden, sonach in dem Umfange seiner Möglichkeit Princip in der Zeit zu seyn, begreiflich ist, die durch dasselbe zu <nehmende> Zeit, als ein völlig geschloßnes System sich muß übersehen lassen. -. Zur Bestimmung. Jenes soll ist ein soll des Soll als soll. Dies ist seine absolut immanente Bestimmung. Als: doppelt: daß es dasey: objectiv: Anschauung oder Bewußtseyn desselben; als solches dasey: intelligirt, in seinem Wesen intelligirt: Denken beides in dem als durchaus in Einem Schlage, Existiren, um gedacht zu seyn: gedacht seyn, um zu existiren.“ (ebd. S 101 Z 4ff)
Die Geltungsform des Ich/der Ichheit offenbart a) die prinzipielle Rückgebundenheit des Wissens wie b) dessen ideale Deduktionsmöglichkeit aus einer höchsten Idee.
Es folgt eine gute Rekapitulation vieler vorhergehender Stunden (Seite 102 – 103; Dasein des Absoluten, Soll, Existenz, Licht, Zeitform). Schließlich folgt (wiederum) die nähere Analyse des Einheitsprinzips Ichs. Das Ich ist bereits abgeleitet worden als Schweben, als Licht und Schema und Zeitform, die gefüllt wird, es ist „Punkt“ und „Genesis“ in einem (ebd. S 103 Z 29), es „existirt vermittels der Linie“.(ebd.)
Die in der Metaphysik oft wiederkehrenden Fragen, was kommt zuerst, Essenz oder Existenz, sind zugunsten einer Einheit derselben in eine Ich-Disjunktionseinheit aufgelöst:
1) Das Ich ist Prinzip der Existenz, sofern „anderes eintritt“ und sich in objektivierender Anschauung setzt:
„Das Licht ist selbst die absolute Existenz; u. es ist durch sein Seyn Grund u Princip aller Existenz: Das faktische als des Lichtes im Lichte selber ist das Ich: Drum ist das Ich die Existenz als solche im Lichte und das Princip alles existirenden, als existirenden im Lichte.-. Existenz, absolute: als Existenz, vermittelte, nicht unmittelbar im Lichte eintretende, sondern vermittelst des Eintretens eines andern eintretend… (To ego non est, sed existit, das lumen nec est, nec existit, (in d> est existens.)(ebd. S 104, Z 4ff)
Da aber das Denken in der 20. Stunde näher durchdrungen wurde als a) inneres Wesen eines kategorischen Solls, und b) daraus die objektivierende Anschauung folgte, weil mit dem conditionalen Grund des gesetzten Solls die kausale, geistige Wirkung in Zeitform mitherging, ist das Ich auch
2) Essenz des ganzen Systems des Wissens, der realen wie idealen Reihe des Selbstbestimmens und Bestimmens.
FICHTE verwendet, wie schon immer, Buchstaben für das durch das Ich prinzipiierte und explizierte System: „b“ als objektivierte Einheit des Denkens mit den beiden existierenden Außengliedern d und c.
„Ferner: das absolute daseyn sollende u. vermittelst des Soll allein seyende an sich aber ist das Denken: Mithin muß das Ich als Princip der Existenz des Denkens gesezt werden. (d – b – c.).“ (ebd. S 104 Z 13f)
Das latent mitlaufende Problem, dass die verschiedenen Ansichten des Wissens und der Bestimmung auf der idealen wie realen Seite des Wissens ins Unendliche fortgeführt werden könnten, ist dahingehend gelöst, dass ja das Ich-Prinzip ein zusammenfassendes, einigendes Prinzip ist, das zwar in seiner prinzipiellen Position für Denken wie Anschauung selbst nicht vorgestellt werden kann, aber trotzdem in einer Vorstellbarkeit existiert und auf ein imaginiertes, göttliches Substrat zurückgeführt werden muss. (Ich verweise auf die gefallenen Stichworte: Existentialform, Licht, Soll, geistige Wirkung, Aufforderung.)
Die einerseits nicht mögliche Vorstellbarkeit des Ich führte andererseits zu klaren Lösungswegen des Begreifen von „Welt“ (1. Stunde) – und vorallem nach der Deduktion der Zeitform zu praktischen und primären Sinn-Evidenzen wie Natur, Logos, Geschichte, Sinn.
Die Denkmöglichkeit des Wissens in und aus der Einheit eines Prinzips, bildlich als Eins vorgestellte Einheit, hat bei aller Unvorstellbarkeit damit nicht Nichts oder Sinnloses hervorgebracht, sondern im Gegenteil, „Leerraum für neue, noch nicht dagewesene inhaltliche Konkretion bewusst gemacht, (…) – so J. Widmann in der Auseinandersetzung mit einer bloßen Begriffsdialektik.11
M. a. W., von der ideellen Konstruktion des Wissens in und durch ein einheitliches Prinzip ist der Weg eröffnet zur Konkretion und Anwendung dieses Wissens, der Weg zum Tun. Die WL wird zur Theorie der Praxis, ist abgeleiteter Begriff der Praxis.
„Hier ist keine Continuität mehr von dem Seyn der Existenz, die mit dem Selbstgefühle vollkommen geschlossen: sondern es geht ein neues an, zufolge der Kausalität des Soll[.] innerhalb der absoluten Existenz auszudrüken: Das Denken soll absolute existiren: – absolute Existenz = Licht: drum ein Licht im Ich, schlechthin: rein, per hiatum, ohne Continuität: – absolute reine Genesis der Existenz des Denkens: innerhalb des Selbstbewußtseyns, u. dadurch vermittelt.. hier ist das Ich Princip, falls es dasselbe ist. Zu dieser Genesis das Seyn: Schema des Lichts, vom Princip aus: heißt thun (Deduction des Thuns überhaupt.). Hier ist das Ich als Princip: durchdrungen; im Princip seyn, also frei, nicht an sich, sondern eben in dem Lichte, Reflexion die da halte oder nicht. /“ ( ebd. Z 22ff)
Es ist sowohl eine ideale Form des Tuns geschaffen als eine reale Form des Anschauens gesetzt:
„Gleich auf der anderen Stelle: da ist die Existenz, obwohl ohne Bewußtsein, u. ihre Zustände geben seyn: Denken (sc. hinzugedacht der Existenz von etwas, im Ich und durch das Ich der Anschauung): Drum thätige Kraft: als eben absolute Punkt – . äusseres Prinzip d – b – c – e.“ (ebd. S 105 Z 1f)
Der Begriff der „Kraft“ (oder siehe S 106, Z 33) könnte und müsste jetzt näher angewandt werden auf den Leib und dann auf die Natur. Die Evidenzform der Sittenlehre und Naturlehre ist gefunden (siehe dann unten S 107 Z 31).
Der Begriff der „Kraft“ (S 105 Z 3) wird weitergeführt im Begriff der „Kausalität“ (ebd. Z 7) und neuer „Faktizität“
„Ich bin des denkens nur faktisch, u. intelligibel mir bewußt, wobei implicite sich ja das reine Denken objective selbst ergäbe – b -c. „ (ebd Z . 17) 3.). Dieses Soll des Soll, als soll ist, so gewiß es eben ist, realiter, u. absolute da. Was liegt in diesem realen Seyn. (Bleiben in A. nur uns wendend an S. als Bestimmung desselben, aber nie die allgem[eine]n u. höchsten Gesetze aus den Augen lassend.). Im Vorbeigehen, damit zu Ende niemand frage, wo denn Gotteslehre, Sittenlehre, bleibe: was ich soeben abhandeln werde, ist die Moral selbst. (…)“ (ebd. S 105 Z 29ff)
Da alles vom Ich selbst in seiner Existenz prinzipiert und bewirkt ist – weil es von einem absoluten Soll herkommt und das Dasein des Absoluten in ichlicher Weise darin reflektiert ist – kommt es absolut zu diesem realen Standpunkt und einer realen Objektivation des Leibes und der Sittenlehre. In der Sittenlehre und der damit zusammenhängenden Naturlehre ist vom Begrif her alles vollendet und geschlossen, aber es soll die „Zeit füllend“ Princip werden, sodass Veränderung, ein Werden, zutage tritt – innerhalb der Einheit des Bewusstseins, versteht sich! (Zu meinen Bedenken einer Evolutionstheorie siehe dort verschiedene Blogs.)
„ (Muß man eben aus dem Zusammenhange einsehen: es ist ja Glied der absoluten Existenz, und des absoluten Bewußtseyns, über welche weder Existenz noch Bewußtseyn geht.). [/] Abgewiesen über die Materie: drum gewendet an die Form: Soll an das Ich gerichtet, heißt Postulat daß dasselbe Princip von Existenz werde; dies ist ’s: u. es soll heißt eben, es soll dies seyn dasjenige Ich, was in der Anschauung a. u. dem Denken schon, als absolut existent, u, als Zeitfüllung der absoluten Zeit liegt: soll, dies eben bleibend, wie sich versteht, Princip werden; aber es ist Zeit füllend Princip: drum in einer neuen Zeit in seiner Zeit.-. Principseyn in der Existenz aufgenommen in das Schema der Existenz heißt thun. also es ist durch dieses soll ein thun des Ich postulirt. Das Princip des thun innerhalb der Existenz ist Kraft: also es ist Kraft postulirt. Durch dieses Thun würde das Ich sein Seyn durch die neue Zeit hintragen: von seinem Seyn aber ist das Soll unzertrennlich; in jedem Zeitpunkte wird daher ein neues Soll eintreten: u. so ist die neue Zeit als schlechthin unendlich postulirt.- im Fortlaufe anhebend von der faktischen Anknüpfung der absoluten Zeit.“ (ebd. S 106 Z 9ff)
Es kommen hier einige große Worte vor, die ich im einzelnen nicht mehr kommentieren kann, es aber wert wären! Postulat, Schema der Existenz heißt Tun, Prinzip des Tuns ist Kraft, Zeit als einerseits unendlich eröffnete und unendlich fortlaufende Zeit des Werdens, andererseits Einheit der Dauer der Zeit innerhalb der Einheit des Bewusstseins. 12
Welches ist nun das nächste Glied, das ihm vorhergeht: Ant w[ort]: Ich denke das; bin das denkende[,] das [/] Princip zu diesem Denken.. Ich daher: – U. zwar wir: formaliter schlechthin als faktisch seyend, keinesweges Genesis: Wahrnehmung haben wirs genannt: Absolut wahrnehmendes Selbstbewußtseyn.-. Wir realiter: als mögliches Princip einer Zeitfüllung.. Bemerken Sie wohl, daß das Ich Princip einer Zeitfüllung sey, wird nicht etwa am Denken des Soll wahrgenommen.“ (ebd. S 107 Z 28f)
Die Grundkategorie einer Kausalität ist hier klar aus der Beziehung des Soll des Gedachten und des angeschauten Ichs abgeleitet, Kausalität durch das Soll, später dann analysierbar im Handeln des Leibes in einer Leib-Seele-Einheit – und Kausalität in der Naturwahrnehmung.
„Resultat: absolute Wahrnehmung des Ich, als möglichen Princips einer Zeitfüllung[,] ist das absolute Soll des Denkens, das daseyn muß, wenn überhaupt Bewußtseyn seyn soll, dazu gehört, Resultat der Kausalität, (die wir bis jezt noch annehmen, [)] des absoluten soll.-.
Princip der Zeitfüllung: welcher Zeit:-. Die absolute Zeit ist die der Genesis des Ich: u. das Seyn dieses Ich ist die Füllung dieser Zeit: Dieses Ich ist, drum jene Zeit: nun ist es mögliches Princip, eben in der neuen Zeit; also grade in derselben die durch das Denken des Soll postulirt wurde -. Also wird, so wie oben denkend postulirt, hier als seyend angeschaut eine mög liche Kausalität des angeschauten Ich auf seine eigne Anschauung innerhalb der ersten Anschauung von Existenz.. Nach der Analogie kann ich hinzusetzen: Princip des Seyns innerhalb des Seyns = Thun: 2). so wird das Ich absolut wahrgenommen u. anders nicht; wo es daher in dieser Zeit sich wahrnehme, stets mit der Möglichkeit, drum eine unendlich fortzusetzende Zeit-Erfüllung.“ (ebd. S 108 Z 14)
Was wesentlich im Schlussabsatz von FICHTE ebenfalls noch entworfen wird: das Ich, das das Soll im Denken der Existenz in idealer und realer Weise aufnimmt und realisiert, ist ein „gemeinschaftliches Ich“. Die Idee der Interpersonalität und zugleich die vollendete Sittlichkeit in der Interpersonalität sind notwendige Bedingungen der Möglichkeit des transzendentalen Wissens eines konkreten Ichs und eines Du. Die Genesis anderer Personen aus dem selbst nicht vorstellbaren Einheitsprinzip des Ichs ist a) Übergang zur Konkretion und Praxis eines rechtlichen Zusammenlebens und b) einer postulierten sittlichen Gemeinschaft in der ideellen Vollendung der Moral, der Interpersonalität und Liebe.
Diese rechtlich und moralisch zu findenden Anwendungsprinzipien einer lichthaften Icheinheit (der absoluten, ichlichen Geltungsform) wäre aber in ihrem Wechsel nicht möglich, gäbe es nicht ein übergeordnete Einheit eines religiösen Prinzips, worin rechtlicher Anspruch und moralische Ordnung garantiert sind. Die Geltungsform des Rechts und der Moral werden gerechtfertigt (nicht begründet) in der Geltungsform der Religion.
Generell gesprochen: Keine Natur-, Rechts-, Gesellschafts-, Religionswissenschaft kann sich der apriorischen und ichhaften Bedingungen des Denkens entziehen.
Wenn ich noch bei der Religionslehre bleiben darf: Da bei aller Rechtfertigung des rechtlichen und moralischen Seins durch die Religion trotzdem ein im Licht und in der Geltungsform des Ichs abgeleiteter, gesetzter hiatus bleibt zwischen einem im Denken gefundenen kategorischen Soll und einem in der Religion zeitlich erstrebten und erhofften Heil (einer Erfüllung des Solls), muss es im Denken des kategorischen Soll selbst eine ichliche Offenbarung geben, sollte die Anwendung der Religion nicht ein unendliches und letztlich nicht sicher garantierbares Tun sein. M. a. W., es liegt im ichlichen und lichthaften Geltungsanspruch die Möglichkeitsform einer positiven Offenbarung, andernfalls die primären Evidenzformen Natur, Logos, Geschichte, Sinn nicht in Einheit vermittelt werden könnten.
FICHTE hat mehrmals die Trinitätslehre behandelt, aber hier in der GSRL fehlt sie leider massiv! Dabei liegt sie m. E. nicht mehr weit weg von der von ihm hier geschilderten apriorischen Vernunftoffenbarung!?
Es muss eine logoshafte, sprachlich-objektivierbare, geschichtliche Begegnungsform einer positiven Offenbarung Gottes geben, andernfalls eine konkrete Ich-Du-Werdung in einem religiösen Verhältnis nicht denkbar ist.?
Man merkt es förmlich, dass hier FICHTE selbst nahe daran ist, wenn jetzt Begriffe wie „Stellvertretung“, „gemeinschaftliches“ Ich fallen. Er sagt selber „Nur Vorbereiten“ – kommt aber dann im 22. und 23. Vortrag wieder zurück zum System des fünffachen Wissens.
Nur Vorbereiten: Diese Wahrnehmung ist Seyn: kein Seyn aber ohne Genesis: – Dürfte mehrere Ich geben: wie sich denn dies auch erwarten läßt:*– stellvertretende Anschauung des Einen Ich: daß wir sonach alle stets u. immer nicht von dem individuellen Bewußtseyn, sondern von Einem gemeinschaftlichen aus giengen; wirklich, u. in der That faktisch; indem es ja auch ohne dies nicht zur Welt kommen könnte.-. Dies allein schlägt durch: daß das unmittelbar faktische Bewußtseyn verbessert,(…)“ (ebd. S 108 Z 28ff)
22. und 23. Stunde
Die letzten zwei Stunden der GSRL führen konkret in die Systematik der WL, d. h. in das System des Wissens, hinein und würden viele Querbezüge und Erläuterungen für sich verlangen.
Die WL 1804/2 in ihrem 28. Vortrag kann hier eine gute Lesehilfe sein: Ich kann nur Stichworte bringen:
22. Stunde: Verhältnis von transzendentaler Einheit des Wissens und Mannigfaltigkeit hinsichtlich der Totalität aller Wissensformen und hinsichtlich einer Mannigfaltigkeit der Unendlichkeit des ablaufenden Bewusstseins (siehe WL 1804/2, 28. Vortrag, Punkte 6 u. 5.).
Ferner der Übergang zur Praxis anhand der transzendentalen Wissensprinzipien der WL (ebd. S 110, Stichwort „Handeln“ Z 27ff) ).
Nochmals genauere Analyse der Entstehung der Zeit mit den entsprechenden Elementen der Zeitfüllung und Mannigfaltigkeit (ebd. S 111 – 113).
Verhältnis des einen Ich-Prinzips und mehrerer Ich, die Ableitung der Raumanschauung „(….) als continuirliches Bewußtseyn desselben in dem Einen Ich für sich, in dem Systeme der Iche, als seyend projiziret. Dies ist ein Seyn des Seyns, in Einem Schlage vollendet (…)“ (ebd. S 113. 114. Z 1), die Anschauung der Einen Welt durch die qualitativ eine, sittlich-praktische Sicht eines einigen Ich-Prinzips. (vgl. ebd. S 114)
23. Stunde: Ein Rückblick auf alle bisherigen Stunden der GSRL und zugleich kurze Winke auf eine praktische Anwendung, die erst zu leisten wäre z. B. im Begriff des „Gedächtnisses“ (ebd. S 120 Z 12).
Es ist derartig dicht und gedrängt, dass diese Denkkraft FICHTES schlechthin zu bewundern ist. Es kehren die wesentlichen Gedanken in einer Gesamtschau der Erkenntnis der Wirklichkeit im Ganzen (der „Welt) wieder. Es sind Erkenntnisprinzipien von allerhöchster Relevanz in jedem praktischen Anwendungsbereich.
Ich fasse nur ganz allgemein zusammen: Das objektivierenden Wissen als Sein der Anschauung (vgl. ebd. S 115), die Rolle der Freiheit (vgl. ebd. S 116, 1. Teil der GSRL), das Anschauen und Intelligieren (vgl. ebd. S 116 – 117; 3. Teil der GSRL), die Zeitform und das Absolute als reiner Gedanke in uns (vgl. ebd. S 118), nochmals die Geltungsform des einen Prinzips „Ichs“ als intelligierte,
„(…) innere reale SelbstGenesis des Bewußtseyns aus sich von sich durch sich. (…) Potenz in der Anschauung: Es soll schlechthin: weil es zur höchsten Einsicht kommen soll usf.“ (ebd. S 119 Z 34f), Denken und Anschauung in ihrem Zusammenhang (vgl. ebd. S 120), „WeltAnschauung“ (ebd. Z 14) und „einige Welt der Individuen“ (ebd. Z 17),
die ein „eignes Gedächtniß“ (ebd. Z 19) oder eine Konstitutionsaufgabe der Erhebung aus der Bewusstlosigkeit in das Bewusstsein ergibt.
„Alles, weil Erkenntnis Gottes seyn soll, u. durch das Setzen der Erkenntniß Gottes gesezt: – . Er derselbe, ewige unveränderliche: -. aber die Erkenntniß der Weise der Geseztheit dieser Erkenntniß, als seiner lebendigen Existenz, ewig und unaufhörlich.“ (ebd. Z 20f)
Ich möchte schließen mit einer Zusammenfassung von C. Cogliandro zur Fünffachheit des Wissens in der WLnm (1796 – 1799), die sich hier in der GSRL, zwar in veränderter Form, aber in konstanter Weise des Inhalts wiederholt: „Das Ich schwebt zwischen zwei bestimmbaren „Massen“: einerseits der idealen Bestimmbarkeit, einer Mannigfaltigkeit, die zu einem bestimmten Handeln auffordert, das hier gleichbedeutend mit Bestimmen überhaupt ist. Die zweite bestimmbare „Masse“ ist die vorgestellte sinnliche Mannigfaltigkeit (die als Vorstellung der produktiven Einbildungskraft hervorgebracht wird). In der idealen Reihe setzt das Ich seine auf ein Objekt gerichtete Tätigkeit; diese ist durch einen Zweckbegriff bestimmt, der eben die Bedingung des Willens ist. Andererseits erscheint in der wirklichen Reihe die gleiche ursprüngliche Tätigkeit als Selbstbestimmendes durch den Kausalitätsbegriff, mittels dessen sie auf das Objekt wirkt.“ 13
© Franz Strasser, 10. 1. 2022
1Ich verweise hier auf J. Widmann, Die Grundstruktur des transzendentalen Wissens, Hamburg, 1977, S 302. „Aus unsern Überlegungen ging hervor, daß es kein in toto reflexives Wissen im Sinne der WL sein kann. Ferner – da nicht aus Erfahrung erworben – ist es auch nicht „gewöhnliches“ Wissen in deren Sinn. Wir können weder Erfahrungs- noch Reflexionsbedingungen für sein Zustande kommen angeben. Das hat zur Konsequenz, daß wir keine Bedingungen oder Anweisungen für seine verstehende Nachkonstruktion geben können: es läßt sich intersubjektiv nicht übertragen. Wie können wir dann überhaupt davon und darüber sprechen? Nur unter der Voraussetzung, daß es in allem individuellen Bewußtsein schon vor aller sprachlichen Verständigung vorhanden ist. Und wie läßt sich Verständigung erreichen, daß von ihm und nicht von andern Bewußtseinsphänomenen die Rede ist? Nur durch den Hinweis auf seine Generalkonsequenz: die unbedingte negative Abgrenzung sämtli chen andern denkbaren Phänomenen des Wissens gegenüber. Das ist seine einzige mitteilbare Charakteristik. Es ist durchaus klar, daß es somit intersubjektiv a limine nicht beweisbar ist. Ebensowenig ist beweisbar, dass dies besondere Wissen nicht existiere. Den Beweis führt allein seine unmittelbare Faktizität im jeweiligen Bewußtsein selber.“
2Ebd. S 304.
3In der WL 1804, 4. Vortrag, Sommer 1805 in Erlangen vorgetragen, fasst es FICHTE so zusammen: “7.). Also nun, und mit Einem Worte: Das absolute, als Princip, ist in sich Reflexionsgesez der Freiheit, als Bildes des formalen absoluten, u. insofern nur intelligibel — . Dadurch aber daß sie das ist wird sie zugleich faktischer Schöpfer absoluter Freiheit. (sc. die Geltungsform des Ich ist formal unhintergehbar, absolut) Das leztere zwar nur in ihrem Faktischen Ausdruke auf irgend eine Art
A – B. Dieses B. als Ich führt nun in sich eine Stuffenleiter von Sollen, davon jedes folgende die Bedingung des ersten ist, u. dadurch gesezt —.Reines soll a‘, soll der wesentlichen Einheit b. Soll der faktischen Einheit c. die da giebt 5. Solle [;] Verstandes Welt. Soll des Princips dieser Einheit. d. was da giebt eine faktische «unendliche (sc. Der Teilungsgrund verlangt eine gegenseitige Wechselwirkung in einer nur faktisch möglichen Begründung) nur im Verstande zusammengebrachte Welt. e.“ (GA II, 9, S 311)
4Ich möchte hier auf KANT verweisen. Es heißt dazu bei FICHTE sehr prominent: „Kant, der die Kategorien ursprünglich als Denkformen erzeugt werden läßt, und der von seinem Gesichtspunkte (cf. der Kritik] aus daran völlig Recht hat, bedarf der durch die Einbildungskraft entworfnen Schemate, um ihre Anwendung auf Objekte möglich zu machen” (J. G. Fichte, “Grundriß des Eigenthümlichen der Wissenschaftslehre”, Akad.-Ausg. 1,3,189). “In der Wissenschaftslehre (cf. als einem System der Vernunft] entstehen sie [sc. die Kategorien] mit den Objekten zugleich und um dieselben erst möglich zu machen, auf dem Boden der Einbildungskraft selbst.” (Ebd.)
5Bei KANT horcht sich die Schematisierung so an: Wie können die apriorischen Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung einsichtig im Wissen durch die transzendentale Apperzeption auf die Anschauungsformen bezogen werden? Es sind zwei völlig „ungleichartige“ Sphären des Verstandes und der Anschauung (vgl. KrV, B 176.177 u. a.), die aufeinander zu beziehen sind? Er gibt als Lösung an – und da kommt er FICHTE schon ziemlich nahe – dass die „transzendentale Synthesis der Einbildungskraft“ (KrV B 151) ein Schema erzeugt – und diese Synthesis der Einbildungskraft sogar eine„figürlichen Synthesis“ (synthesis speciosa) (KrV B 151 und KrV B 154) schafft, die den „Begriff der Sukzession“ (sc. also den Begriff der Zeit) “(KrV B 154) hervorbringt.
6Dieses Soll der Einheit des Wissens und der Ableitung des Wissens in und aus der Einheit eines Prinzips, ferner die zugleich mitlaufenden Reflexion auf eine „geistige Wirkung“ und Anwendung des einen Prinzips auf die Anschauung, finde ich im Synthese-Begriff der „Energie“ bei J. Widmann ausgedrückt: Die Genesis des sich äußernden Absoluten findet, so könnte anhand der WL 1804/2 gesagt werden, ihre Evidenzform als „Energie“. Dies ist ein sehr umfangreiche Disjunktionseinheit – und ich kann hier nur auf J. Widmann verweisen. Es ist eine conditional gedachte Form einer kausalen Wirkung, die gerade durch ihr Ineinanderverschränktsein von Denken und angeschautem Sein zu einem Werden und zu einer Füllung der Zeitform, mithin zu einer realen Wirkung und einer fertig gewordenen Anschauung und Erscheinung führt. J. Widmann, a. a. O., S 132 – 152.
7Es wird in der 21. Stunde vielleicht noch deutlicher werden, das mit dem Wesen des Denkens die existentielle Geltungsform des Ich nicht überschritten oder abgelöst werden kann. Vorausschauend: „Mithin muß das Ich als Princip des Existenz des Denkens gesezt werden. (..) Bemerken Sie, Princip der Existenz des Denkens, keinesweges des Denkens, denn dies hat kein Princip: drum nicht, Ich denke; ich kann nicht denken, sondern ich setze das Denkens als existent, oder werde mir des Denkens bewußt. (…)“ (ebd. 21. Stunde, S 104 Z 14ff)
8Der Unterschied zu DESCARTES liegt dann m. E. darin, dass vom wirklichen Dasein in concreto auf das Dasein Gottes geschlossen werden kann, bei FICHTE, nicht umgekehrt, vom abstrakten Denken Gottes (seiner veracitas) auf das wirkliche Dasein.
9Diese wechselseitige Evidenzform von Anschauung und Denken gilt für alle Bereich des Seins. J. Widmann führt das so aus: Er unterscheidet, wie schon öfter erwähnt, vier Evidenzformen, die er „primäre Evidenzformen“ nennt: „Natur“, „Logos“, „Geschichte“, „Sinns“. (a. a. O., 182 – 197 u. a.)
10Im nachfolgenden 4. Vortrag der WL 1805 in Erlangen gibt FICHTE eine viel ausführlichere Ableitung des Ich bzw. der Geltungsform aus dem Absoluten, was er hier in der GSRL tout court (dafür farbiger, populärer, würde ich sagen) ausgeführt hat. „Seinem eignen Seyn nach aber ist es das göttliche Existiren selbst, als quale: u“ es ist in dieser Rüksicht nicht der selb<stständiges Grund seiner selber, sondern Gott ist sein Grund: u es läßt sich drum nun auch sagen; Gott ist in ihm, vermittelst seines Seyns, dessen absoluter Grund er ist, <mi>ttelbar Grund des Repräsentirens: nicht, wie vorher, das Ich repräsentirt ihn, sondern er selber repräsentirt sich im Ich. In Summa: Gott selber unmittelbar ist im Ich; u. er ist das Ich; u. das Ich ist der‘ gesuchte unmittelbare Berührungspunkt seiner selbst u. seines Existirens.“ (GA Nachlaßband II, 9, 15. Stunde, S 249.250) In der WL 1805 siehe dort Explikation des Verhältnisses Absolutes, Existenz und Ichform in den Vorträgen der 15., 16. und 17. Stunde.
11J. Widmann, Johann Gottlieb Fichte. Einführung in seine Philosophie, Berlin 1982, S 207.
12Zur Bestimmung des Anfangs einer Zeit und einer Synthese von Werden und Dauer, siehe J. Widmann, a. a. O., S 280 – 286.
13G. Cogliandro, Die Dynamik der Fünffachheit in der WLnm, Quelle Internet, S 9.