Evolutionstheorie – und was dahinter steckt? 1. Anfrage. Zum Begriff des Zufalls. Der mexikanische Kärpfling

Gleinker Weltchronik, Mitte d. 14. Jhd., Landesbibliothek Linz.

1) Ich übertreibe wohl nicht, dass zum Begriff der „Evolution“ eine heillose Verwirrung herrscht.1  Warum Verwirrung? Weil von der Evolutionstheorie gerade so getan wird, als sei diese Sicht der naturwissenschaftlichen Erklärung das universale Paradigma aller Erklärung: Sei es der anorganischen oder organischen Natur – oder sei es der geistig-kulturellen Natur. Der Begriff „Evolution“ ist ein universaler Schlüssel geworden, eine mystifizierte Sache, die nicht angegriffen werden darf. Die kantische Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung wird durch „Evolution“ gelöst. Das stiftet Verwirrung, denn im Herzen müssen wir an diesen begrifflich-kausalen Erklärungsmustern zweifeln, aber ebenso im theoretischen Vorstellen und praktischen Handeln!
Wie nach GALILEI und NEWTON das Prinzip einer mechanischen Kausalität immer bestimmender geworden ist, so modifizierte man diese Kausalität Anfang des 19. Jhd. und übertrug sie auf das biologische Leben.  Im 20. Jhd. übertrug man schließlich  Evolution  auf die Kultur und Geschichte. 
  Wir sind inzwischen habituell so geprägt, um nicht zu sagen, verdorben,  dass prinzipiell unsere teleologisch handelnde Urteilskraft gar nicht mehr anders reflektieren kann, als alles aus zeitlichen Entwicklungsgründen und Entwicklungsschritten „evolutionär“ entstanden  zu sehen. 

Ich möchte hier im 1. Blog das Beispiel eines gut angepassten Fisches bringen, der offensichtlich überleben will,  aber nicht er will überleben, sondern ein „evolutionärer“ Prozess in den Genen bewirkt das – so meine zufällig Lektüre eines Artikels.  Wenn KANT noch in seiner KdU erstaunt war, dass wir notwendig teleologische Zwecksetzungen anwenden, so wird dieses Phänomen bewusst anders herum interpretiert, dass es nicht die „denkende  Natur“ ist,  die etwas zielgerichtet erkennen lässt, sondern im Hintergrund steuern anonyme, „evolutive“ Gesetze alle  Veränderungen und alles Leben hier auf dem Planeten, inklusiv des kleinen Kärpflings im giftigen Schwefelhabitat. 

Ein in die anorganische oder organische oder kulturelle „Natur“ hineingelegtes Werden als „Evolution“ zu erklären ist aber m. E. eine Verwechslung der Ebenen: Geistiges Werden wird zu einem Prozess des Werdens an sich erklärt. Das ist dogmatisch und metaphysisch. Eine transzendentale Vernunftkritik müsste wissen, dass alle Erkenntnisbegriffe bestensfalls zum Begriff der Erscheinung eines Werdens führen, oder noch besser gesagt, auch die Vernunftkritik bezogen auf die sinnliche Wirklichkeit müsste nochmals Selbstkritik üben, aus welchen praktischen Gründen sie überhaupt ein Werden in die sinnliche oder gesellschaftliche Natur hineinlegt.

Es  fließen immer denktheoretische, apriorische Begriffe (die Anschauungsformen, die Reflexivitätsformen der Identität, der Wesensbegriff, die Kategorien u. a. m.) in die Beurteilung und Erkenntnis eines Werdens hinein, die ein höheres Prinzip der Ableitung verlangen. Beobachtbares und wahrnehmbares Werden wird nicht durch anderes wahrnehmbares Werden erklärt. Wenn ein naturales oder geistiges Realsystem schon vorausgesetzt wird, wie es in allen empirischen Wissenschaften mit ihren Gegenstandsbereichen geschieht, so werden die vielfältigen, hochkomplexen, geistigen Gebilde der produzierenden Einbildungskraft, die aus Punkten und Linien gebildeten Formen der Zeit und des Raumes, die geschaffenen Begriffe z.B. wie „Empirie“ oder die genera wie Substanz und Akzidens, Ursache und Wirkung und Wechselwirkung, die Reflexionsideen von Bewegung, Artikulation und Organisation, immer stillschweigend vorausgesetzt. Aber ohne kritische und selbstkritisch praktische Reflexion wiederum auf diese Vorstellungsweisen kommen wir zu keinem angeblich wahrnehmbaren Werden, geschweige zu einem extrapolierten, ex concessis vielleicht brauchbaren Begriff der „Evolution“.

Der Gedanke einer Entwicklung – „Evolution“ ist bereits metaphysisch-dunkel – ist möglich, wenn ich dessen eingedenk bleibe,  dass alles Werden nur ein übertragenes Werden ist, eine aus dem Bewusstsein übertragene Entwicklung, eine vorgestellte Entwicklung innerhalb der unwandelbaren Wandelbarkeit des Bewusstseins – zwecks Gewinnung eines freien, praktischen Wollens.

Eine „Evolution“  an sich ist ein unerklärbarer Vorgang, einhergehend mit viel Ideologie und Abweisung von Verantwortung und Freiheit.   

An sich entwickelt sich nichts!  Dem Begriffe kann es  keine „Evolution“ des Seins geben.  Unter Begriff verstehe ich das Wesen einer Sache, und das ist unwandelbar festgesetzt.  Nur erscheinungsweise kann ich  in einer appositionellen Reihe des Bewusstseins  etwas als zeitlich und geschichtlich werdend und geworden sein und ablaufend ansehen, d. h. also durch eine appositionelle Synthesis, die wiederum viele theoretische und praktische Begriffe umfasst, bildet sich das Werden.

Der Zweck meiner Anfragen oder Bedenken soll hier sein,  die transzendentalen Bedingungen der Wissbarkeit einer leichtsinnig geführten Redensweise von naturwissenschaftlicher und gesellschaftlicher „Evolution“  zu hinterfragen, weil a) die eigenen Standpunktlosigkeit dieser  Redensweise unreflektiert bleibt und b) einer naturalistischen oder gesellschaftlichen Ideologie  Vorschub geleistet wird, die m. E. höchst gefährlich werden kann. 
Wenn es traditionelle Aufgabe der Philosophie sein soll, den Grund (die arché) einer Sache zu erkennen, so verlangt dies ein  analytisches und synthetisches Vorgehen des Erkennens bis zur letzten, selbst einleuchtenden Bedingung. Alles andere ist keine Erklärung. 

Bei jedem Schritt der erkenntniskritischen Analyse  müssen zugleich die synthetische Anwendungsbedingung mitbedacht sein, damit es zu keiner sophistischen – oder mit Kant gesagt „dialektischen“ –  Täuschung kommt, was der eigentliche Grund eines Etwas ist. Wenn die Zeit und der Raum, d. h. ihre Form, nur aus der Einheit des Bewusstseins stammen können, so bedeutet ein  Werden von etwas in der Zeit und die  Ausdehnung des Raumes eine übertragene Form der Vorstellung des eigenen Werdens und des Vermögens ins Unendliche zu teilen. Solange eine Realität der Natur, der Gesellschaft, ein Fossil, ein Gesteinsbrocken, ein Steinwerkzeug, ein archäologischer Fund, nicht auf  Formen der Vorstellung und des Bildens zurückgeführt werden können, d. h. letztlich nicht auf theoretisch  und praktisch-schlüssige Letzterklärungen, bleibt eine Ursachenerklärung höchst willkürlich bzw., nur eine machttheoretische Entscheidung.

Es ist transzendentale Methode, die Bedingungen der Wissbarkeit freizulegen, und transzendentaler Grundsatz, dass alles Bewusstsein ein Selbstbewusstsein ist. Alles, was wahrgenommen wird oder geschichtlich gesetzt ist, muss in irgendeiner Weise auch apriorisch mitgesetzt sein – wie es explizit PLATON, DESCARTES, KANT, FICHTE praktiziert haben. Es kann nichts außerhalb des Sich-Setzen des Geistes angenommen werden, was nicht durch den Geist selbst gesetzt ist. Im Sich-Bilden und Sich-Zuschauen des Geistes in seinem Erkennen, Wollen und Handeln – FICHTE sagt dazu „intellektuelle Anschauung“ – sind alle grundsätzlichen Vorstellungsweisen der sinnlich anschaubaren wie der intelligibel gedachten Natur- und Gesellschaftsgeschichte gesetzt – und können nur zugestandener! und abgeleiteter Weise, aus einem bestimmten, praktischen Grund der Freiheit, als übertragene Formen eines Werdens oder Gewordenseins angesehen werden, erscheinungsweise!
Natürlich gibt es entwicklungsspezifische Vorstellungsformen: das Wachsen eines Baums, das Wachsen eines Menschen, eines Tieres, das Gewordensein der anorganischen Welt, eines Gebirge usw., aber letztlich sind es erklärungsspezifische Bilder (Deutungen) zwecks eigener und interpersonaler Selbstbestimmung im Ganzen der Welt und der Wirklichkeit.
Eine vor der freien Vorstellungsart des Sich-Setzens unabhängige,  „zufällige“, „ziellose“, „ursachelose“ „Evolution“  an sich zu denken,  die dann umgekehrt sogar die freie Vorstellung bestimmt,  ist ein Widerspruch.  

Ich möchte ein Beispiel der Definition aus einem „Evolutionsbuch“ bringen: Gerhard SCHURZ, spricht von einer „allgemeinen Evolutionstheorie“ (Anm. 1) in Parallele zur allgemeinen Relativitätstheorie. „„Unter Entwicklung verstehen wir jede nachhaltig gerichtete Veränderung von Realsystemen in der Zeit“. (ebd. S 3).  In der Fussnote erläutert er nochmals den Entwicklungsbegriff: „Veränderung ist somit ein noch allgemeinerer Oberbegriff; nicht jeder Veränderung ist als Entwicklung, d. h. als nachhaltig gerichtet zu bezeichnen.“ (ebd. S 3)
Woher hat Schulz jetzt dieses „nachhaltig“ und „gerichtet“? Wohl nicht aus der Natur!

Als naturwissenschaftlicher Laie möchte ich nicht auf Gedeih und Verderb den jährlichen Entdeckungen der Naturwissenschaften ausgesetzt sein, um mich und das Leben stets  neu aus der „Evolution“  zu erklären und zu deuten.  Der Prüfstein des Wissens und der Wahrheit bleiben die apriorischen Prinzipien der Erkenntnis  – und daran werden die naturwissenschaftlichen oder evolutiv-historischen „Erklärungen“  und Hypothesen nichts ändern können. 

Mir gefällt hier eine kritische Reihe :  „Wissenschaft in einer geschaffenen Welt“. Manches scheint mir  zu kreationistisch, sodass der Begriff Gottes selbst unter sinnliche Bedingungen zu geraten scheint, aber mir gefällt, dass sozusagen auf ein und derelben Ebene der Naturbeobachtungen sehr unterschiedliche Deutungen möglich sind.  Siehe externer Link zu „Wort und Wissen“. )

Ich möchte mich zuerst konzentrieren auf den Bereich der sinnlichen Natur, aber ipso facto spielt der gesellschaftliche und geschichtliche  Bereich der Wirklichkeit stets mit hinein –  gemäß Fünffachheit des reflexiven Wissens. Zum gesellschaftlich-geschichtlichen Bereich siehe dann die späteren Blogs „Anfragen an die Evolutionstheorie“. 

2) Eigentlich dürfte es in der Erklärung der Wirkursachen in der Natur nur kausal-notwendige und nach Wahrscheinlichkeiten ausgerichtete Gesetze geben, wie kann dann plötzlich, wie im untenstehenden Artikel behauptet, von „zufälligen“ Genmutationen  und „zufälligen“ Artenentstehung in der Evolutionsgeschichte gesprochen werden? Diese Redeweise ist ideologisch besetzt!  

Sowie gefordert wird, dass etwas aus der Natur erklärt werde, wird gefordert, dass es durch und aus einem Gesetze der physischen, keinesweges aber moralischen Nothwendigkeit erklärt werde. Es wird sonach durch die blosse Behauptung einer solchen Erklärbarkeit behauptet, dass es der Natur nothwendig sey, und in den ihr absolut zukommenden Eigenschaften liege, sich in reelle Ganze zu organisiren, und dass das vernünftige Wesen die Natur so, und schlechthin nicht anders zu denken genöthigt sey.“(FICHTE, Sittenlehre 1798, SW IV, 119)

Bei Darwin lag die Betonung einer evolutiven Sicht der Entstehung der Arten auf dem Begriff der Selektion, um in einer zeitlichen Reihe einen Zusammenhang in der Entstehung der Arten aufstellen zu können. Die Mutationsbasis war noch nicht so bekannt.  War er sich der apriorischen Erkenntnisbedingungen bewusst, wie eine zeitliche Reihe überhaupt aufgebaut wird, ehe es  zu „Vorteilsgründen“ in der Selektion kommen kann? Das Endergebnis (der natürlichen Selektion) ist, dass jedes Wesen nach immer vorteilhafterer Abänderung im Verhältnis zu seinen Lebensbedingungen strebt. Diese Veränderung führt unausbleiblich bei der Mehrheit aller Lebewesen zu einem stufenweisen Fortschritt der Organisation.“ (Darwin, Entstehung der Arten, (1859) S 175f)

3) In Büchern zur Evolution (z. B. REINHARD JUNKER, Evolution. Ein kritisches Lehrbuch, 2013) liest man von der äußeren Anpassung, von genetischen Veränderungen, von makromolekularen und mikromolekularen Veränderungen, von Populationsgenetik d. h. nach mathematischen Berechnungen wird die „schwache“ oder „starke“ Selektion durch die Population einer Art vorangetrieben, bei vorausgesetzter Normalität der Fortpflanzung, ohne stark sich verändernde, auftretende Umweltbedingungen und ohne richtungsloses Gendrift, man liest von Mutation und Epigenetik usw….. Muss ich als Nicht-Naturwissenschafter z. B. folgende „evolutionäre“ Deutung eines Beispiels ungesehen übernehmen? Weil die Mutationen in den DNA-Basen in diesem ausgewählten  Falle  eines überlebenstüchtigen Fisches verschieden festgestellt und gemessen worden sind, ist schon die ganze Entwicklung und Evolution  des Lebens (der organischen Segmente) „zufällig“ verlaufen, zumindest für den bewundernswerten Kärpfling, der es sogar jetzt  in einem giftigen Habitat aushält!? Warum kann nicht die viel einfachere und logischere Erklärung gewählt werden, dass jeder Organismus ein zweckgerichtetes Überlebensprogramm in sich trägt, so auch dieser Fisch!?   Siehe folgenden Link auf einen naturwissenschaftliche Aufsatz, abgerufen am 26. 11. 2015. (Ich habe das rein „zufällig“ gelesen, aber nicht zufällig mich zur Kritik veranlasst gefühlt.) 

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02.11.2015 – EVOLUTION: ZUFALL ODER VORHERSEHBAR?

Frankfurt, den 02.11.2015. Wissenschafter des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt haben einen weiteren Beweis für die Evolutionstheorie der Kontingenz erbracht. Anhand von zwei Populationen des Atlantik-Kärpflings zeigen sie, dass diese sich jeweils durch eine andere zufällige Reihenfolge von Mutationen an ihre lebensfeindlichen Habitate anpassten. Die Fische bevölkern Gewässer mit einem hohen Gehalt des hochgiftigen Schwefelwasserstoffs. Die Studie ist kürzlich online im Fachjournal „Molecular Ecology“ erschienen.

Die kleinen Fische der Art Poecilia mexicana sind ein Beleg für eine große Theorie. © Pfenninger

Schwefelwasserstoff (H2S) ist ein giftiges und übel riechendes Gas, das für den charakteristischen Gestank fauler Eier sorgt und schon in geringen Konzentrationen tödlich sein kann. In den Quellgewässern vulkanischen Ursprungs Tacotalpa und Puyacatengo in Mexiko liegen die Konzentration von Schwefelwasserstoff bei bis zu 190 Mikromol.

Dennoch sind diese Gewässer besiedelt: „Der Atlantik-Kärpfling (Poecilia mexicana) konnte diesen – eigentlich tödlichen – Lebensraum durch eine Veränderung seines Erbgutes für sich beanspruchen“, erklärt Prof. Dr. Markus Pfenninger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt und ergänzt: „Wir haben die Genome von zwei unabhängig voneinander entstandenen Populationen der Süßwasserfische und deren Anpassung an die hochgiftigen Schwefelwasserstoffhabitate analysiert“, erläutert er.

Dabei hatte das internationale Team rund um den Frankfurter Wissenschafter nicht weniger als die Klärung einer der großen Fragen in der Evolutionsforschung im Sinn: Ist die Entwicklung des Lebens zu einem gewissen Grad vorhersagbar oder purer Zufall?

Unsere Ergebnisse stützen sehr stark die Kontingenztheorie, welche besagt, dass der Weg, den das heutige Leben auf der Erde genommen hat, überwiegend durch Zufälle bestimmt wurde und nicht zwangläufig wieder so verlaufen würde, wenn man die Erdgeschichte ‚zurückspulen‘ würde“, legt Pfenninger dar. Die beiden an die schwefelwasserstoffhaltigen Gewässer angepassten Fischpopulationen ähneln sich zwar in ihrem Aussehen und ihrer Ökologie sehr stark, haben aber eine komplett unterschiedliche DNA-Basis. Der Evolutionsforscher erläutert: „Die Anpassung an den Lebensraum hat sich – durch jeweils andere Mutationen des Erbgutes – unabhängig voneinander entwickelt. Die Fähigkeit diesen Lebensraum zu besiedeln, ist demnach kein ableitbares Merkmal dieser Art, sondern jeweils eine einzigartige Anpassung. Die Fische hatten die ‚Wahl‘: Anpassen oder Sterben. Wären die Umstände andere gewesen, hätten sich die Fische auch anders entwickelt.“

Vertreter der Gegenhypothese – der Konvergenztheorie – gehen davon aus, dass bestimmte evolutionäre Entwicklungen, wie beispielsweise Flügel oder Intelligenz, zwangsläufig im Laufe der Evolution auftreten mussten. Dabei gehen sie davon aus, dass man aus bestimmten Anfangsbedingungen auch den „Ausgang“ der Evolution vorsagen kann.

Oberflächlich betrachtet ähneln sich die Atlantik-Kärpflinge sehr. Wir haben mit verschiedenen genetischen Methoden aber gezeigt, dass die Atlantik-Kärpflinge sich immer mehr unterscheiden, je tiefer in deren Erbgut geschaut wird“, fasst Pfenninger zusammen.

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Mein Verständnis des Artikels, wobei ich mir nicht einmal sicher bin, ob ich alles genau verstanden habe, weil mir a) einerseits die biologischen Verständnismittel fehlen, andererseits b) sprachphilosophische Welten zwischen biologischer und transzendentaler Erklärung eines Vorganges liegen. Also mein Verständnis geht dahin: Durch die erzwungene Anpassung an das unwirtliche Habitat haben die zwei Populationen von Kärpflingen jeweils eine verschiedene DNA-Basis entwickelt, was anscheinend die Deutung zulässt, dass die Mutation in den Genen  höchst zufällig verlaufen ist. („Kontingenztheorie“ wird das genannt, was immer jetzt das genau besagen mag.)  

Aber was wird hier wissenschaftlich wirklich ausgesagt? Erlaubt die Verschiedenheit der Gencodierungen schon die Bezeichnung „Zufall“ als Erklärung? Auf der Ebene eines empirischen Denkens ist es eine Frage der Klassifizierung, was ich als Substanz und in notwendiger Entgegensetzung als Akzidens festsetze. Wollen die Natur-Wissenschafter jetzt als definitorische Basis einer Substanz die Gene selbst ansehen, während die Umweltfaktoren akzidentiell sind? Möchten sie die Gene irgendwie vitalistisch und wesenhaft begnaden, um daraus die verschiedenen Gencodierungen zu begreifen?  Das wohl nicht, eher umgekehrt:  Da die Umweltfaktoren die Gen-Substanz verändern, bewirken sie offensichtlich diesen „evolutionären“ Prozess in den Genen – auch in der bewundernswerten, zweiten, widerstandsfähigen Kärpflingsart. Die Umweltfaktoren sind substantiell, die  Kärpflinge akzidentiell in ihrer Genbasis. Also sind die Kärpflinge, so der Schluss in der „Kontingenztheorie“, insgesamt das Wirk-Produkt der Umweltfaktoren. Die Kärpflinge und deren Gene sind  evolutionäres Produkt eines Zufalls.  Es geschieht still heimlich eine Vertauschung: Der Genpool des vorher substantiell gedachten Kärpflings – und irgendwie muss eine substantielle Basis modal gedacht werden, weil man zwei Kärpflingsarten miteinander vergleicht –    wird im nachhinein und stillschweigend annulliert, denn eigentlich substantiell entscheidend für das Wesen eines „Kärpflings“ sind doch die Umweltbedingungen,  die dessen Genbasis veränderten?(Sofern ich unter „substantiell“ noch irgendwie ein aristotelisches „to ti en einai“, ein wesenhaft Seiendes verstehe mit einer Form-Ursache dahinter).
Wenn ich aber stillschweigend die Substanz „Kärpfling“ zu einem Akzidens substantieller Umweltbedingungen degradiere, so wird die Substanz „Kärpfling“ eigentlich zweimal gedacht und vorgestellt. (Ja, vielleicht gibt es noch viele Kärpflingsarten – und sie alle sind akzidentiell durch die Umweltfaktoren gebildet?) Die Kärpflinge werden zwar eine Zeitlang noch klassifikatorisch behauptet, bis der Unterschied zwischen den Arten und zu anderen Fischen so groß wird, dass auch diese Taxonomierung wegfällt, dann sie gehören nicht mehr zu den Cypriniden (kapfenartigen).

Anders gesagt: Wir setzen vorläufig zwei Substanzen an, die Kärpflinge, mit ihren angestammten Wesen und Eigenschaften, und die Umweltfaktoren, die deren Gene verändern, also ebenfalls substanzartig und stark sind. Wie lassen beide Substanzen stillschweigend interagieren, der Vorstellungsart „Kärpfling“ unterstellen wir die Vorstellung, den gedachten Umweltfaktoren hingegen ein Sein an sich, das so stark ist, dass es evolutiv deren Substanz verändern kann.

Weitergedacht hieße das, dass das Wesen eines Kärpflings bisher zwar als eigene Gattung angesehen worden ist, aber das ändert sich im Laufe der „Evolution“, und dann ist er eine andere Art geworden und später wieder eine andere Art, weil eben die Substanz in den Genen liegt und in deren Veränderung durch die Umweltfaktoren.

„Zufällig“  gibt es eine entstandene zweite Art  des Kärpflings, die sogar angepasst an ein giftiges Habitat leben kann, wie eben die Messungen der Gen-Codierung beweisen. Die bisherige Substanz des Kärpflings hat sich dank Evolution verändert.

Die zeitliche Vermittlung und Feststellbarkeit einer Veränderung zwischen zwei Erscheinungen (die Kärpflinge A und die Kärpflinge B)  lassen aber nach D. Hume kein propter hoc (einer Erklärung) zu,  sondern nur ein post hoc.   Die Veränderungen werden  in der Zeit festgestellt, sind aber nicht bewirkt durch die Zeit, als liefe im Hintergrund ein binäres Software-Programm „Evolution“, das die Entwicklungsreihe steuert. Die Anschauung einer Entwicklungsreihe (eines Werdens) und einer real-kausalen Entstehungslehre wird nicht von den Codes der Gene abgelesen, sondern hineingelegt.

Mit welchem Recht kann ich dann sagen, obwohl mir die Einschau in einen Entwicklungszusammenhang fehlt,  „zufällig“  seien im Laufe der Zeit  die Veränderungen eingetreten?   Wir stellen Veränderungen in der Zeit fest,  das kann ich erscheinungsgemäß sicher sagen, aber woher die Zusammenhänge in den Veränderungen? Und noch schwieriger, auf der Ebene der Genbasis behauptet, sind diese  Veränderungen „zufällig“  entstanden, obwohl ich mikroskopisch das nicht erkennen kann?! Der „Zufall“  befriedigt nur ein Erklärungsbedürfnis des Nicht-Wissens und schafft ein vorzeitiges Ende des Fragens und Wissen-Wollens. 
Ich halte es  aus naturwissenschaftlichen Defizienz des Nicht-Messbaren durchaus für möglich, dass genetische Mutationen  kausal nicht nachvollziehbar und in einer empirischen Prüfung nicht zugänglich sind, das werfe ich niemanden vor, das fände ich eine ehrliche Antwort, aber umgekehrt jetzt  herzugehen und stolz zu behaupten, natur-kausal sei alles „zufällig“ geworden, das ist reine, willkürliche Dezision.  Was man nicht weiß, daran wird geglaubt.

Es darf für einen gläubigen Evolutionisten keinen teleonomischen,  geschweige teleologischen Plan hinter den Veränderungen geben, deshalb greift man zum „Lückenbüßer“ (W. Borchert) -Gott, d. h. zum Zufall.  Mir wäre das Zugeständnis der Nicht-Erklärbarkeit einer Veränderung lieber, weil dadurch wenigstens noch der logische Status einer Hypothese gewahrt wird. So aber wird aus einer Hypothese eine evolutionistische Glaubensaussage.

Das Wort „Zufall“ ist höchst mehrdeutig und widersprüchlich: Wenn alles zufällig wäre, könnte dieses „zufällig“ gerade nicht verstanden werden. Es gäbe keine Theorie zur Natur oder zur Gesellschaft, zur Empirie oder zur Geschichte,  auch keine Theorie zur Logik oder Mathematik, denn es gibt ja dann kein unwandelbares Wesen und Wissen mehr, keine substantielle Basis wissenschaftlicher  Allgemeinaussagen oder Wahrscheinlichkeiten über die wechselnden Zustände und Erfahrungen hinweg. Wenn alles „zufällig“ wäre, gäbe es keine Zufälligkeiten mehr!  Wenn „alles“  Zufall wäre, auch die modalen Denkbestimmungen (notwendig, wirklich, möglich, unmöglich, zufällig)  könnte die Verschiedenheit zweier verschiedener DNA-Basen bei phänotypisch gleich aussehenden Kärpflingen gerade nicht gedacht werden, weil ja die modal vorauszusetzende notwendige Allgemeinheit einer Kärpflingsart bereits willkürlich und ein „Zufall“ wäre, höchstens vorübergehende Übereinkunft.


Der „zufälligen“ Evolution kommt künftig die Definitionsvollmacht aller Arten und Gattungsbestimmungen  zu, nicht dem erkennenden Handeln der Vernunft und den  Vorstellungen der streng gebundenen Einbildungskraft – also einigen wir uns auf einen evolutiv veränderbare Definition – nennen vorläufig diesen Phänotyp Fisch „Kärpfling“, aber die Evolution kann ihn in den nächsten Jahrtausenden verändern zu einem anderen Wesen. Aber was heißt hier noch einigen? Worauf sollen wir uns noch einigen, wenn sich alles wandelt und zufällig ist? Warum einigen wir uns, aus welchen praktischen Vernunftgründen?

Es ist eine transzendentale, platonische Wahrheit: Das apriorische Vorwissen ist Bedingung der Möglichkeit eines bestimmten, differentiellen Wissens, d. h. hier, das apriorische Vorwissen einer Gattung ist Abgrenzungsbedingung zu anderen Gattungen. Im konkreten Fall und bei diesen Beobachtungsbedingungen: Wenn  jetzt eine „zufällige“ Evolution in den Gentypen der Kärpflinge aufgetreten ist,  muss doch (apriorisch) die substantielle Vergleichsbasis von Kärpflingsart A und Kärpflingsart B erhalten bleiben, sonst könnte gar nicht verglichen und könnten die verschiedenartigen, genetischen Codierungen  gar nicht unterschieden werden!  Das apriorische Vorwissen eines Kärpflings ist substantielle Basis späterer feststellbarer Veränderungen und späterer Feststellungen von zwei Kärpflingsarten.  Wie kann aber plötzlich von einer naturkausalen Erklärungsart und Forschungsebene eines Wirkungszusammenhangs (von Umwelt und Gencodierung) auf eine andere Ebene gesprungen werden, nämlich auf eine hermeneutische Ebene einer reellen Deutung, dass in den Dingen durch einen anonymen Prozess, durch unzählbare  Umweltfaktoren der „Zufall“ wirkt, der einmal zu einem Kärpfling A und dann zu einem Kärpfling B führt, wobei „Kärpfling“ nur mehr eine willkürliche Bezeichnung ist und selbst relativ bleibt?  Der naturkausale Unterscheidungs- und Beziehungsgrund der zwei Kärpflingsarten wird zuerst realistisch-substantiell angesehen,  und dann idealistisch umgedeutet zu zwei evolutionär bewirkten Formen von Kärpflingsarten. Die Verschiedenheit der Kärpflinge (von anderen Fischarten) ist gar nicht ewig und substantiell festgelegt, sondern bewirkt durch einen anonymen Prozess idealistischer Deutung von „Evolution“. Nur behelfsmäßig sprechen wir von verschiedenen Substanzen, aber die Formursache dahinter ist „zufällig“ und evolutiv variabel.

Aufgrund des platonischen Vorwissens tragen aber selbst die evolutionistisch denkenden Naturforscher die notwendigen Allgemeinheit einer Vergleichsbasis in sich – wenn sie sich das eingestehen getrauen? -, damit sie eine Unterscheidung und Verschiedenheit  feststellen können, springen aber dann auf eine zusätzliche, neue, hermeneutische Erklärungsebene auf, um den Vorstellungstrieb der Erklärung der Unterschiede und der Verschiedenheiten befriedigen zu  können. Die genetischen  Veränderungen sind es, wie oben das Beispiel mit den  Kärpflingen im giftigen Habitat beweisen soll,  dass es keine feste, substantielle Struktur mehr gibt, die zur Gattung der  Kärpflinge führt.  „Zufällige“ Umwelteinflüsse, die genetische Veränderungen bewirkten, haben den habitattüchtigen Kärpfling B so widerstandsfähig gemacht, dass man nur die „Evolution“ dafür verantwortlich machen kann. Die Veränderungen und Anpassungen des Kärpflings B waren von außen bedingt und  sind durch Druck entstanden. 

Aber wo Druck, da auch Gegendruck. Wo bleibt die Anpassungsleistung des  lebenstüchtigen Kärpflings B selbst? Wo seine Widerstandskraft und sein Selbsterhaltungstrieb?

4) Von der „zufälligen“ Lektüre eines Chemikers andersherum belehrt, siehe, da werde ich in meinem Anspruch, dass es in Sachen Naturvorgänge nur natur-kausale Erklärungen geben dürfe, nicht hermeneutisch „zufällige“  Deutungen,  nicht enttäuscht.  Der Chemiker G. WÄCHTERSHÄUSER beschreibt im angegebenen Artikel in der „Debatte“ (der Katholisch-Bayerischen Akademie ) die Möglichkeitsform, wie es zur Entstehung des Lebens gekommen sein könnte, und resümiert (Günter Wächtershäuser, Zur Debatte, 6/2015, S 12.) dahingehend: „Diese extreme Beschränkung der chemischen Möglichkeiten (sc. dass Leben entstehen kann) nach festen Gesetzen der Chemie führt uns zu einem überraschenden Schluss: Die Ursprungs-Evolution des Lebens ist chemisch einzigartig, vorbestimmt und gerichtet. Damit ist der Gang der frühen Evolution kein Ergebnis des Zufalls, sondern Folge eines ewigen, universellen Gesetzes der Chemie.“ (Hervorhebung von mir).

Wenn ich auch nicht die Entstehung der Kohlenstoff-Fixierung verstehe, verstehe ich, dass eine naturale Erklärung nur nach notwendigen und wahrscheinlichen Gesetzmäßigkeiten verlaufen kann, wenn sie denn überhaupt eine naturwissenschaftlich befriedigende Erklärung sein soll. Das ist korrekt! Die Erklärung des Chemikers gibt wenigsten über seinen Standpunkt der Reflexion Auskunft: Es ist a) der Standpunkt der empirischen Beobachtung chemischer Gesetze und Synthese-Möglichkeiten – und da gibt es b) nachweisbar keine „zufälligen“ Erklärungen. Die Erklärung eines Stoffwechsels mit „Produkt-Katalysator-Kopplungen“ (siehe dortige Anm., ebd.) sind empirisch bestätigbar und sind höchst eingeschränkt und empirisch vorbestimmt und gerichtet.

Von den chemisch-physikalischen Gesetzen, die einzigartig und vorbestimmt und gerichtet das Leben entstehen lassen konnten, hypothetisch angesetzt,  zur 2. Stufe der genetischen Codierung, das verlangt wiederum eine synthetisch gebundene, kausal-anschauliche Einheit des Wissens, wenn auch zugegebenermaßen die  Entstehung und Weitergabe der Information in den funktionalen Proteinen und Genen noch nicht gänzlich bekannt ist oder beobachtet werden kann.  Auch auf dieser 2. Stufe des Lebens und der genetischen Mechanismen – wohlgemerkt bereits im spezifischen Modus der vorausgesetzten sinnlichen Natur – kann es keinen „Zufall“ geben, denn dann käme es zu keinem „Leben“, weil nur eine distributive Einheit eines Zweckes per Begriff „Leben“ bewirken und bedeuten kann – nicht eine additive Zusammenstellung verschiedener Umweltbedingungen. Die „genetische Maschinerie“ ist vom „Leben selbst erfunden“.

Die genetische Maschinerie zeigt sich uns somit als biochemischer Zufallsgenerator, erfunden vom Leben selbst zum Zwecke einer effizienteren Anpassung an die chemische Umwelt.“ (WÄCHTERSHÄUSER, ebd).

Der Chemiker verwendet hier notwendigerweise eine teleonomische und teleologische Erklärung, um überhaupt eine Erklärung geben zu können: Warum funktioniert der „Zufallsgenerator“? Die aus der Vernunft selbst stammende Antwort kann wohl nur sein: Damit das Leben sich effizient anpassen und überleben kann. Apriorisch wird gesetzt und gewusst, was Leben meint: eine distributive Einheit eines Selbstzweckes, eine Selbstbegründung im Streben und im Trieb. In dieser zweckgesteuerten Einheit einer oder mehrerer lebendiger Zellen kann es keinen Zufall geben, weil sonst der Begriff Leben selbst hinfällig wäre.

Wie könnte ich  noch annehmen, dass ein organischer Zusammenhang und ein organisches Funktionieren in der lebendigen Natur plötzlich zufällig sein soll? Ich müsste den Begriff des Lebens völlig missverstehen! Ich müsste  abstrahieren vom funktionierenden System der ganzen Natur, müsste abstrahieren vom System einer einzelnen distributiven Einheit einer lebendigen Zelle und eines ganzen Zellverbandes und einer ganzen Organisationgruppe – ich müsste abstrahieren von jeder begriffenen Anschauung, bis überhaupt keine Lebenseinheit mehr besteht – dann sollte ich aus analysierten Eigenschaften, die zufällig sich einstellen, das Leben wieder zusammenbauen mittels evolutionären, zufälligen, zeitlichen Prozessen, die selbst nochmals zufällig sind? Ein zeitlicher Prozess, die sog. „Evolution“,  haucht kein Leben in einen distributiven Zweck- und Triebzusammenhang ein, wenn es nicht schon vorher drinnen wäre.  

Der Chemiker schreibt bezeichnenderweise: „Es muss derzeit offen bleiben, ob und in welchem Maße diese Überleitung (sc. von den chemischen Grundelementen) zu einem indirekten Evolutionsmechanismus Produkt des Zufalls ist oder selbst wieder Folge der ewigen, universellen Gesetzes der Chemie.“ (ebd.)

Es ist mir einleuchtend, in einer naturkausalen Theorie der Fortentwicklung des Lebens nicht zu einer letzten Erklärung des Warums dieser Erklärung kommen zu können, weil der Zweckbegriff ein transzendentallogischer Begriff ist, der auf empirischer Ebene nur eine kantische Antinomie ergibt. Selbstkritisch, der eigenen Erkenntnisgrenzen bewusst, drückt sich WÄCHTERHÄUSER aus:  „es muss offen bleiben….“. Er bekennt wenigstens seine Nicht-Erklärbarkeit, weil er nur auf empirische Basiselemente aufbauen und nicht auf realistisch/idealistisch genommene Abstraktionen Bezug nehmen will. Er redet nicht dem „Zufall“ das Wort.  

5) Das Wort Zufall“ und der Gebrauch des „zufällig“ – wie kann diese Redeweise im reflexiven Denken verstanden werden? Ich möchte dazu nochmals weiter ausholen: 

a) Die Redeweise kommt notwendig vor  im modalen Gebrauch des Denkens: Im existentiellen Denkvollzug werden verschiedene Modi gesetzt: Die Substanz wird als notwendig gedacht für ein Akzidenz, das im Gegensatz zur Substanz als zufällig bestimmt ist. Die Zufälligkeit der Akzidentien kann in weiterer Folge aber nur gedacht werden, weil bereits mehrere Akzidentien als Erscheinungen gegeneinander abgegrenzt werden. Das Bewusstsein muss qualitativ verschiedene Empfindungen haben, die durcheinander bestimmt werden können, damit Akzidentien von der Substanz abgehoben werden. Erst durch Akzidenzien entstehen Realitäten.
Wird das auf die Anschauungsform der Zeit umgelegt, so muss als Substanz die Dauer des Ichs  vorausgesetzt werden, auf die die Akzidenzien der Veränderungen treffen. Für dieses wahrnehmende Ich, als Substanz gedacht, sind die Akzidentien (Hemmungen)
zufällig. Wie möchte aber an sich, unabhängig vom Bewusstsein, ein „zufälliger “ Prozess erkannt werden? Nur In Beziehung auf das reflektierende Ich kann und darf semantisch korrekt von „zufällig“ gesprochen werden – und dann in einem abgeleiteten Sinne, dass Objekte angenommen werden, die als Substanz mit zufälligen Akzidenzien in Verbindung gebracht werden. Soll es eine sinnliche Natur geben, so müssen apriorisch notwendige Denkinhalte angesetzt werden, Qualitäten, Verschiedenheiten, Kategorien, Reflexionsideen, und eben auch Substanzen mit zufällig wechselnden Realitäten. Wird Notwendiges und Zufälliges kategorial vereint, so ergibt sich die ontologische Bestimmung von möglich oder unmöglich. Ein Objekt ohne Substrat ist unmöglich; aber das jeweilige Akzidenz, das von ihm getragen wird, ist zufällig, d. h. auch anders möglich. Wird auf das Ich als das empfindende reflektiert, so ist das Objekt, wenn empfunden, wirklich, wenn nicht empfunden wird, nicht wirklich.
Im spezifischen Modus einer vorgestellten und verobjektivierten, sinnlichen Natur,  will ich zu einem wirkursächlichen Zusammenhang und zu einer „natur“-wissenschaftlichen Erklärung kommen, müssen notwendig Substanzen und zufällige Akzidenzien vorausgesetzt und aufeinander wirkend gesetzt werden. Sie wirken als Elemente selbst aber nicht aufeinander, sie sind anorganisch oder triebhaft organisch oder frei zusammengestellt und verobjektiviert projiziert. Das Denken erstellt Zusammenhänge und Ableitungen, bis der Vorstellungstrieb befriedigt ist.  Ich kann vielleicht einen Zusammenhang oft nicht durchschauen, wie notwendig die Substanz von zufälligen Akzidenzien bestimmt ist und umgekehrt das Organisationsganze die Akzidenzien bestimmt, also setze ich auch unbekannte Ursachen an, aber deshalb ist der ganze Wirkungszusammenhang nicht „zufällig“ zu beurteilen, denn dann  käme ich überhaupt zu keiner Substantialität und Wirksamkeit und organischen Natur. Nur in Beziehung und in der Vorstellung von Substanzen in plurali auf der Objektebene kann von notwendigen oder zufälligen oder möglichen oder unmöglichen Modalitätsbestimmungen und Kausalitäten gesprochen werden. Die zufälligen Bestimmungen gelten notwendig in der hier abgeleiteten, spezifischen  modalen Form des Vorgestelltseins und Vorgestelltwerdens, nicht metaphysisch wirklich. Wir haben keinen Einblick in das „Ding an sich“ und dessen Substanz-Akzidenz-Eigenschaften – als bestünde an sich ein Substanz-Akzidenz- oder Ursache-Wirkungsverhältnis.  Wir übertragen die Erfahrungskategorien unseres Leibes als Denkkategorien (Substantialität, Kausalität, Wechselwirkung), schematisieren die gemachten Hemmungen/Aufrufe auf die Anschauungsformen von Zeit und Raum, und erstellen einen Erkenntnis – und Erklärungszusammenhang  in und aus dem Sich-Wissen.
Die Modalitätskategorien (notwendig, zufällig, möglich, unmöglich, wirklich) dienen so, u. a.,  zum Begreifen und Beschreiben der Objekte in plurali auf sinnlicher Ebene und dienen
letztlich der freien Selbstbestimmung des Denkens. (Ich könnte das noch weiter explizieren, siehe andere Blogs) 

Die Hemmungen, die auf das lebendige, substantielle Sein und Wirken des Leibes treffen, welcher Leib natürlich wiederum nur transzendental vorgestellt begriffen werden kann,  erhalten durch das zeitliche Werden im Bewusstsein und durch dessen wirkliches Handeln und Wollen, das letztlich ein freies ist, notwendig! den  bezeichnenden Charakter der „zufälligen“ Hemmungen. Sie sind zufällig auftretende Hemmungen für eine freie Selbstbestimmung in einem selbstbewussten Akt des realen Lebens.
Diese zufälligen Hemmungen sind  relativ bis absolut relevant.  (Das unwirtliche Habitat wird dem Kärpfling B schon zugesetzt haben, trotzdem hat er die unfreundlichen Akzidenzien zu seinen Gunsten nutzbar gemacht.)
Für das praktische Wollen und Handeln (im engeren Sinne) sind manche zufälligen Akzidenzien oft überlebens-notwendig, manche nicht.  Sie sind (durch Übertragung und Veräußerung) Träger eines letztlich sittlichen Wertes, d. h.
relativ oder relevant überlebensnotwendig – im Gegensatz zu lebensfeindlichen Akzidenzien. 
Durch die Schnittstelle meines Leibes (und der interpersonalen Aufforderung) bin ich anwendungsbedingt notwendig mit der sinnlichen (und interpersonalen) Akzidenzien- und Substanz-Welt verbunden. Ich  bin selber Teil dieser sinnlichen Natur, bin biologisches Wesen, bin Pflanze, bin Tier, bin kommunikatives Mit-Wesen, funktioniere selbst nach chemischen und genetischen Prozessen, bin durch und durch gebildeter Trieb – aber immer mit der Intentionalität, frei diesen Trieb nachzubilden und frei eine geistige Natur zu bilden. Von den denkbaren „Zufälligkeiten“ der mich umgebenden Natur hängt mein Leib und Leben ab, positiv wie negativ. Ich interpretiere alle  „Zufälligkeiten“ aus einem existentiellen Bedürfnis und aus meinem freien, zweckgerichteten Denken und Leben heraus. Ich weiß um diese prekären „Zufälligkeiten“. Sie sind alles andere als irrelevant.
Wie
kann ich naiv und von außen hinsagen, die zweite Kärpflingsart B hat in ihrem sauren Habitat nur zufällig überlebt, weil sich zufällig die Genstruktur verändert hat, so als hätte der Kärpfling B nicht von sich her überleben wollen? Wenn ich schon von den veränderten Gencodierungen ausgehen will, die anscheinend gemessen werden können, so interpretiere ich das so, dass es der Kärpfling selbst verstand, zwischen lebensfeindlichen und lebensrelevanten Bedingungen zu wählen – denn sonst wäre er vorher schon im giftigen Habitat erstickt. Ich lege einen Lebenswillen, übertragen von meinem Geiste, in ihn hinein – und so nur kann ich das Überleben erklären – nicht durch „zufällige“ Anpassung und Mutation.

Ich setze in meinem Wollen und Handeln notwendig eine prästabilierte Aussenwelt und Natur voraus –    – wobei ich mich manchmal in den Erklärungszusammenhängen irren kann –  weil ich leiblich sonst nicht überleben könnte. Dies Harmonie und diesen teleologischen Naturbegriff muss ich für alles organisierte Leben voraussetzen, für das Leben eines Einzellers, eines Mehrzellers, einer Pflanze, eines Tieres, des Menschen.  Das Leben muss notwendig die Aussenwelt zu seinen Gunsten „einplanen“ , um sich als Substanz im Umweltkampf behaupten zu können. Dass die äußere Anpassung auch genetisch durchschlägt, wie beim Kärpfling B anscheinend festgestellt, kann ich staunend konstatieren, kann aber nicht umgekehrt ableiten, dass die Anpassung natur-kausal oder bio-chemisch durch die Gene selbst geschehen ist.

Darf ich für diese staunenswerte Selbstgesetzlichkeit und Naturgesetzlichkeiten des Lebens den „Zufall“ als Geltungsgrund heranziehen? Gerade der „Zufall“ oder die „Evolution“ kann hier nicht gelten, denn sonst wäre es zu gar keinem Leben und zu keiner lebenstüchtigen, selektiven – von mir aus auch mutativen – Anpassung an die prekären, zufälligen Lebensumstände gekommen.  

© Franz Strasser, 26. 11. 2015

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Literatur: REINHARD LAUTH, Naturlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre, Hamburg 1984.
GÜNTER WÄCHTERHÄUSER, Zur Debatte, 6/2015, S 12.
KLAUS HAMMACHER, Transzendentale Theorie und Praxis. Zugänge zu Fichte (= Fichte-Studien-Supplementa, Bd. 7), Amsterdam, Atlanta, 1996.
GERHARD SCHURZ, Evolution in Natur und Kultur, 2013.
http://de.wikipedia.org/wiki/Evolution

1Gerhard Schurz, Evolution in Natur und Kultur, 2013.

Nachtrag – kürzlich gelesen: Hat sich eine Hat sich die Minimalzelle weiter entwickelt_

 

Gleinker Weltchronik, Mitte d. 14. Jhd., Landesbibliothek Linz.
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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser