Die Prinzipien der Gottes-, Sitten- und Rechtslehre, 13. – 17. Stunde – 3. Teil

13. Stunde

Das unveränderliche Eins im Wissen als Geltungsform ist kein stehendes Faktum (ebd. S 57 Z 9), sondern eine Quelle. Das Wesen dieser reinen Geltung als in sich immanent im Wissen – weil Form eines ĂĽber alles geltenden Geltung des Lichtes, der Erscheinung – und zugleich als dem Wissen transzendent, weil es projiziertes Licht ist, innere Anschauung, Bewusstsein, ist absolute qualitative Einheit, wesentliche Einheit, „ausschlieĂźend durchaus alle Unterscheidung und Spaltung“ (ebd. Z 13) „Das Wesen ist Eines, aus sich quellen, „nicht das was des Quellens. Wie könnte doch Mannigfaltigkeit absolute seyn (materialiter)? Sie wäre ja ein VerflieĂźen in nichts.“ (ebd. Z 15)

Dieses Quellen aus sich ist in gewisser Beziehung Freiheit „in Rücksicht eines Faktums oder Nichtfaktums“. (ebd. Z 26) Das Wesen dieser Freiheit bleibt hier völlig unverändert, „Nur innres Wesen. Daseyn durchaus nicht:“(ebd. S 58, Z 1)

Intelligiere ich auf diese wesentliche Einheit, geschieht Reflexion und „Ausfüllung des bekannte hiatus, in reiner formaler Einheit, durchaus u. schlechthin faktisch ohne alle objektive Anschauung, (…) Bewußtseyn, zum Wissen: jenseits beide schlechthin vereinigt.“ (ebd. Z 5)

FICHTE will m. a. W. und in Anlehnung an M. Gerten von mir formuliert, einen Geltungsbegriff als ein Ganzes konstituieren. „Beide (Form und Inhalt) sind abstrakt zu unterschieden: der bloße, reine, geltungsfreie Inhalt von der bloßen, reinen, inhaltsfreien Geltung; beide sind aber auch konkrete aufeinander zu beziehen, indem erst in ihrer Synthesis sich ein gegenständlich bestimmtes Geltendes, eine geltenden gegenständliche Bestimmtheit ergibt.“1

FICHTE will unterscheiden und herausarbeiten a) die allgemeine Geltungsform „Ich“ mit einem allgemeinen Geltungsgehalt der Erscheinung des Absoluten überhaupt, und damit genetisch zusammenhängend b) die in spezifischer Weise der Erkenntnisprinzipien sich aufspaltende Fünffachheit des Wissens mit spezifischen Geltungsinhalten, die inhaltlich aufeinander verweisen und ineinander verknüpft sind. Ich interpretiere das so, dass z. B. ein sinnlicher Trieb mit spezifischen Ambitionen zugleich einen gesellschaftlichen Trieb mit gesellschaftlichen Affekten voraussetzt und umgekehrt.

„4.) „Ich -. Faktum des Ich: das Ich voraus setzend; u. hin es stellend, als den hiatus ausfüllend, in absoluter Anschauung.-“( ebd. S 58, Z 10)

„Nochmals; im so eben beschriebnen Intelligiren, was geschahe? Der absolute hiatus wurde ausgefĂĽllt, in dieses AusfĂĽllen war das Intelligiren absolut verlohren, es war es selbst, und das objektive wesentliche Wissen nur sein Widerschein, inwiefern es nothwendig zugleich Anschauung ist:-. Was ist dagegen die Reflexion? Offenbar dieses AusfĂĽllen, als solches, absolute: in seiner Form, abgesondert, nicht im Wesen wie dort… Nach Art aller Reflexion, die absolute als hinstellt, was in dem Intelligiren innerlich ist[-] Was stellt nun diese Reflexion, in seinem als, oder Form hin? d. h. was ist es an sich, u. in seinem Wesen: Antw[ort], die AusfĂĽllung des absoluten hiatus. Diese aber ist das absolute Wissen selbst . W[as]. D[as]. E[rste].“ (ebd. S 58 Z 17ff)

„Das Ich wird vorausgesezt, wie aus der objektivirenden Anschauung hervorgeht: es wird vorausgesezt, als ein solches, aus dem die Reflexion auf das absolute Intelligiren, als absolutes – BewuĂźtseyn nicht folgt, d. h. welches in Beziehung darauf indifferent, und frei ist. -. Die Freiheit läßt sich daher hier ebenso wohl als ein Faktum ansehen[,] Phänomen, oder auch als Noumen; freilich wieder aus absoluter Fakticität.
Nun weiter: Das im absoluten BewuĂźtseyn vom Ich unabtrennliche qualitative, u. materiale ist das absolute
als der Ausfüllung, die Form, eben der construirende Ausdruk; und Bild dieses Füllens – dieses aufhebens des Nichtseyns, und der Kluft. Bild einer absolut in sich selbst lebendigen Linie. (So bilden dürfen wir hier nicht nur, sondern wir müssen: denn wir sind in der Quelle des reinen u. absoluten Bildes.)“(ebd. S 59 Z 22ff)

Es sind dies hier wichtige Stellen, wie ich meine, weil hier von der wesentlichen Einheit im Intelligieren und im absoluten Wissen zur Reflexion im faktischen Bewusstsein ĂĽbergegangen wird – in der Art und Weise, dass das Licht der Geltungsform in der Reflexion nicht verloren gehen kann. Der materiale Wert und Sinn eines Gehaltes ist in der Licht- und Reflexionsform mitgenommen und erhalten, m. a. W., der Geltungs- und Wahrheitsanspruch der Erscheinung des Absoluten und aller damit zusammenhängenden Wissensinhalte.

Dazu kommt jetzt die Anschauung der Zeit-Form.

Dieser Punkt ist relativ kurz hier beschrieben – ausführlicher in § 12 der WLnm, dafür aber sehr gut! FICHTE spricht hier stets vom „Ausfüllen“ des hiatus.

Siehe nochmals Zitat von S 58 „Offenbar dieses AusfĂĽllen, als solches, absolute: in seiner Form, abgesondert, nicht im Wesen wie dort… Nach Art aller Reflexion, die absolute als hinstellt, was in dem Intelligiren innerlich ist[-] Was stellt nun diese Reflexion, in seinem als, oder Form hin? d. h. was ist es an sich, u. in seinem Wesen: Antw[ort], die AusfĂĽllung des absoluten hiatus. Diese aber ist das absolute Wissen selbst. W[as]. D[as]. E[rste].“ (ebd. S 58 Z 17ff)

Wenn es dann heißt: Die Reflexion oder das Als stellt das absoute Wissens „hin im Bewußtseyn und seiner Form“ (ebd Z 30) „Sie ist daher das absolute Bewußtseyn selbst der Form nach“ – so übersetze ich das: die Geltungsform des Ich (der Ichheit), der Reflexion ist eine endliche Totalität, geschlossene Evidenz des Lichtes, genetische Evidenz, absolute Geltungsform, da aber die Form des Bewusstseins nicht totaliter und nur per hiatum begriffen werden kann, wie das Intelligieren sehr wohl den Sinn und den Zweck der Geltungsform des absoluten Wissens begriffen hat, muss sich die Form des Bewußtseins rein faktisch die Aufklärung ihres Geltungsgehaltes von der Zukunft und der Zeit erwarten. 2

Die Ausfüllung der Form des Bewußtseins ist die Zeit und Geschichte – siehe gleich später. Die Form des Bewusstseins erreicht nicht ohne Zeit und Geschichte den intelligierten Gehalt der Geltung, wiewohl er überzeitlich feststeht. Ex positivo kann aber gesagt werden, der Gehalt der Geltung geht als übergehendes Licht des Sinns und des Wertes in die Geltungsform des Bewußtseins ein, sonst wäre überhaupt kein Bewusstsein und keine Faktizität.

M. a. W., wenn die Freiheit nach ihren inneren Gesetzes des Vollzuges sich auf den Geltungsgrund rück-bezieht, fließt der Sinn- und Wertgehalt der Geltung in die „Ausfüllung“ des hiatus (zwischen intelligierter Materie des absoluten Wissens und zeitlich sich vollziehendem Werden im Bewusstsein) ein. Vorausgesetzt natürlich, die Freiheit vollzieht sich nach der Gesetzlichkeit des Lichtes und des im Lichte erscheinenden Sinns.3

Die „Ausfüllung“ des hiatus und die „Zeitform“ kommt jetzt noch deutlicher zum Ausdruck: Zuerst noch zur Form des absoluten Bewusstsein:

„Nun weiter: Das im absoluten Bewußtseyn vom Ich unabtrennliche qualitative, u. materiale ist das absolute als der Ausfüllung, die Form, eben der construirende Ausdruk; und Bild dieses Füllens – dieses aufhebens des Nichtseyns, und der Kluft. Bild einer absolut in sich selbst lebendigen Linie. (So bilden dürfen wir hier nicht nur, sondern wir müssen: denn wir sind in der Quelle des reinen u. absoluten Bildes.)“ (ebd. S 59, Z 29ff)

Die Geltungsform des Ich, des absoluten Bewusstseins, ist „frei und indifferent“, „in Beziehung auf dieses Umfassen (sc. der idealen und realen Reihe des Bewusstseins) gegen über gestellt. Weder das Eine noch das andere pp sondern in den Mittelpunkt der wirklichen That hinein.(…)“ (ebd. S 60 Z 6) „(…) ohne alle Reflexion u. Bewjßtseyn, drum auch unbegrenzt es seyn“ (ebd. S 60, Z 8)

Aber die Zeitform wird jetzt entscheidend in der Deduktion der wesentlichen Wissensprinzipien von Gottes-, Sitten-, Rechts- und Naturlehre. Es kommen jetzt geniale Aussagen:

„Dieser Mittelpunkt ist das absolut Eine, unveränderliche Bewußtseyn; was daher in ihm ist, ist wirklich, u real: drum auch jenes.. ZeitForm eine unbegrenzte Linie, durchdrungen, vom frei seyenden, absolut objektiven Ich der Anschauung, u. dieses von ihm, beide unabtrennlich; Kommend mit ihm aus der Anschauung als formalem Ausdruke des absoluten Wissens, in Beziehung auf welche das Ich, als frei erscheint, durch ihren absoluten Wesens Begriff sich über sie zu erheben, u. so sie genetisch abzuleiten.“ (ebd. S 60 Z 10ff; Hervorhebungen von mir)

Durch das Eintreten der Zeitform spaltet sich die reine Geltungsform in vier Bereiche spezifischer Geltungsformen des Wissens, sodass umgekehrt gesagt werden muss: alle vier Bereiche des Entfaltung der Geltungsform des Ichs haben positiv zeitliche und räumliche, oder umgekehrt durch Negation gewonnene unzeitliche und unräumliche Vorstellungswelten zur Folge.

FICHTE thematisiert das hier (leider) wieder sehr kurz. Er spricht nur die äuĂźersten Möglichkeiten der Bestimmbarkeit ĂĽberhaupt an, die Bestimmbarkeit der Moral als Form der Anschauung – und die Bestimmbarkeit der Gotteslehre als Form des Intelligierens:

„1.). Da ist nun schon fĂĽr den Standpunkt der Moral gewonnen. Diese bedarf der Zeit… dagegen Gott schlechthin ausser aller Zeit liegt.-. Mithin fĂĽr beide im Mittelpunkte. Freilich bedĂĽrfen wir noch eines anderen HauptIngrediens, der realen Thatkraft.“ (ebd. S 60, Z 19)

Die Freiheit erscheint dabei als „Nichtfolge“ (ebd. S 60, Z 32), auf dem Standpunkt der Moral bzw. in ihrer „Qualität“ . Sie kann und darf nicht als implikative Folge aus vorhergehenden Bedingungen abgeleitet sein, dann wäre es ja keine Freiheit mehr und gäbe es keine Moral.

„Intelligirt sie sich aber, wie dies so eben bei uns geschehen, so wird die Freiheit, als absolutes aufgehoben, indem sie selbst als Folge aus der nothwendigen, dem Wesen des Wissens, eingesehen wird. (sc. in die Gotteslehre).“ (ebd. S 60, Z 32f). Die Freiheit auf dem Standpunkt der Gotteslehre ist eine sich hingebende, aktiv-passiv sich ergreifen lassende Freiheit. Freiheit folgt aus der Erscheinung des Daseins des Absoluten notwendig, als „modus des Seins“ und als „substantielles Accidens“ (siehe oben 7. Stunde, S 31 Z 8). Freiheit wird hier zweifach gesehen, in zweifacher Funktion: als Verantwortung und Zurechenbarkeit in der Moral und Rechtslehre – und als Gottesliebe in der Gotteslehre.

„Es läßt sich daher schon hier recht klar verstehen, daß die Verschiedenheit der Standpunkte zwischen der Gottes, u. Sittenlehre zunächst nur darauf sich gründen werde, ob im Anschauen = Erscheinung, oder im Intelligiren geruht werde, daß nur durch absolute Intelligenz sich zur Gottheit erhoben werde, oder vielmehr, daß nur die ab solute Intelligenz selber der absolute Rükblik der Gottheit auf sich selbst, und so ihr Daseyn selber sey, u. alles übrige d. h. die Anschaung nur die Bedingung dieses – in sich lebendigen Daseyns.“ (ebd. S 60.61 Z 1ff)

Was wird die nächstfolgende Aufgabe sein: FICHTE beschreibt sie als nähere Analyse des „per hiatum“ des absoluten Wissens mit dem Bewusstsein zusammenhängenden Faktums, als „die absolute Anschauung“(ebd. S 61 Z 10.)
M. a. W. die Faktizität als solche in ihrer Synthese als Intellektion in die Geschlossenheit der Lichtform (der Wissensform, Geltungsform) und in ihrer faktischen Anschauung einer idealen wie realen Reihe der Bestimmung und Selbstbestimmung soll begrifflich den Bedingungen der Wissbarkeit nach genauer gefasst werden.

Durch die Einführung der „ZeitForm“ als unmittelbarer erster Ausdruck und Anschauungsform des Intelligierens des Ichs, als formaler Ausdruck (Anschauungs-Form) des absoluten Wissens, kann eine weitere Analyse des Wissens und der Tätigkeiten des Ichs erfolgen: Der spezifizierte Gehalt in der Geltungsform Ich/absolutes Wissen offenbart a) einen idealen und b) einen realen Gehalt der Selbstbestimmung und Bestimmung.

„3.). Diese absolute Intelligenz wird nun selbst nur durch ihren Gegensatz, die absolute Anschauung, zu bestimmen seyn.. Wir haben daher zunächst diese gründlich durchzuführen: uns haltend an Fakticität, oder Freiheit. Zweierlei Bestimmungen: durch das absolute mitgebrachte, wie soeben die Zeit war: durch die absoluten Bestimmungen des absoluten mittelbar mitgebracht, wechselwirkend, die Synthetik der W.L. – soweit wir derselben für unsern Zwek bedürfen werden.“ (ebd. S 61 Z 9ff)

14. Stunde

„Hauptgegensatz: Absolute Intelligenz = Daseyn, Existenz, der Gottheit. RĂĽkblik derselben auf sich selbst: – Absolute Anschauung; als bedingend die erstere, weil sie lebend ist, nicht tod.“ (ebd. S 61 Z 19ff)

Es wird eine neue Disjunktion aufgemacht zwischen Problematizität und Kategorizität eines Schlusses zwischen vorausgesetzter Annahme des Daseins des Absoluten und vorausgesetztem faktischem Bewusstsein, um ein höheres Prinzip eines notwendigen Zusammenhanges zu finden. Die „Absolute Anschauung“ soll lebend sein, tätig, aber letztes, begründetes Prinzip kann nur eine Genesis aus der Erscheinung des Absoluten selbst sein.

„Ich kann setzen, oder nicht: aber nicht absolut, sondern selbst dependent von dem höhern Princip.“ (ebd. S 62 Z 13)

Kann es ein faktisches Sein des Selbstbewusstseins und des Bewusstseins geben? Es kommt auf die „Maxime“ (ebd. Z 25) an, ob sie auf die Absolutheit der wesentlichen Einheit gerichtet („Absolute Intelligenz“ – Z 35) oder nur auf das Bewusstsein gerichtet ist – und entsprechend fällt das Prinzip der Erzeugung aus.

Unter der Maxime des Intelligierens (nicht nur Reflektierens) ist das genetische Prinzip des faktischen Seins ein „Soll“. Die Evidenz des Daseinsollens des Absoluten ist ein „kategorisches Soll“ (ebd. S 63 Z 18) „Das Ganze Intelligieren Resultat des absolut kategorischen Soll des Daseyns des absoluten“ (ebd. Z 20)

Das Soll zwischen Hypothese eines im Wissen möglichen Daseins des faktischen Seins und seiner absoluten Kategorizität wird weiter beschrieben: Das kategorische Soll ist das Prinzip der Existenz innerhalb des formalen Wissens (vgl. ebd. S 64 Z 4) „bildlich“ (ebd. Z 5). Das Wissen setzt nicht selber das Prinzip, es kommt als Soll-Prinzip auĂźerhalb des Wissens gesetzt hervor, ist eine Prinzipienbeziehung aus dem Absoluten, ausgehend vom „lebendigen an sich von sich durch sich, äussernd sein Leben unmittelbar durch das kategorische Soll seines Daseyns. – was man nun wohl kein Bedenken nehmen wird, Gott zu nennen.“ (ebd. S 64 Z 18f)

Es folgen weitere Bemerkungen zur Philosophie, die ohne Soll ein Skepitizismus bleibt. Der „Geburtspunkt“ des Intelligierens ist im Soll gefunden (vgl. ebd. S 65 Z 14), „Gott daher ist absoluter Grund der Faktizität des Intelligirens, hier schlechthin unmittelbar: (…)“ (ebd. Z 19)

Je nach Maxime des Denkens, ob das Dasein des Absoluten zur „Wurzel“ (ebd. Z 19) der Intelligenz genommen wird, oder ob der Maxime der Anschauung des bloßen Reflektierens und Denkens gefolgt wird, so fällt die Charakterisierung entweder in Richtung aus, dass a) Gott „absoluter Grund der Faktizität des Intelligirens“ (ebd. S 17) ist, oder b) das Wissen führt nach den eigenen Denkgesetzen zur Erklärung seines eigenen Seins, und das Dasein des Absoluten wird zur notwendige Bedingung der Möglichkeit modal und reflexiv vorausgesetzt. Das ergibt „Selbstbesinnung (im Gegensatze eines Verlohrenseyns) (…) Ganzes absolutes Bewußtseyn=Ich, also das Ich als sich selbst schlechthin setzend.“ (ebd. Z 30f)

Dieses Bewusstsein oder Ich – die reine, inhaltsfreie Geltungsform – bleibt dabei durch und aus dem Intelligieren und aus dem absoluten Soll erst gerechtfertigt. Es ist „vernichtet“ (ebd. S 66 Z 1), d. h. dem Geltungsgrund nach, „weil dieses Vernichten ein absolut reales ist.“ (ebd. Z 2)

Nur durch ein „soll, als Bedingung: also mittelbar soll es auch seyn: (so gewiss das absolute Soll realisiert werden soll.) Aber nicht als Wesen, sondern als vor dem Wesen vernichtetes, u. zergehendes seyn.“ (vgl. ebd. Z 4)

15. Stunde

Das Soll wird als Einheit des Wissens und als „absolutes Soll des Soll als Soll“ herausgearbeitet (ebd. S 67 – 69; ebd. S 69 Z 26) „Das Wissen ist da, lediglich darum, weil Gott in ihm da seyn, d. h. erkannt werden soll: (…)“ (ebd. S 69, Z 30f)

Ich interpretiere: Erkennen (im Ich, als Ich, in der Einheit der Dauer des Bewusstseins) ist ein religiöses und sittlich-praktisches und interpersonales und auch naturales „seyn soll(en)“.

„Nun ist diese Erkenntniß selbst nicht ein absolut in sich geschloßnes dürres, u. todtes Seyn, wodurch sie keine Erkenntniß wäre, sondern sie ist nur eins das da „seyn soll; ihr seyn sollen nun, gleichsam ihre Hülle, Umgebung, u. Sphäre ist das andere, nicht wahre, u. reelle, sondern ohne sie nichtige u. zerfliessende Wissen, das nur noch durch das soll jener (sc. anderen Sphäre) zusammengehalten wird. (..)“ (ebd. S 69.70 Z 37ff)

„In dem Vereinigungs, u. Gegenseitigen Bestimmungspunkte dieses Soll, nicht als soll, und dieses Soll als Soll, = Ich liegt nun unser gesuchter fester Mittelpunkt./Stelle Johannis.
2.) Beides
Ein Schlag. (…) “ (ebd. S 70, Z 5f)

„(…)a.) Das Soll als Soll, d. h. im Lichte, bindet, u. hält schlechthin durch sich das in sich selber in Nichts vergehende u. auflösende. u. dies ist keinesweges sein Wesen, inwiefern es als solches ist, denn daraus erfolgt bloĂź die Sichtbarkeit sowohl des Vergehens, als des bindens, sondern als Soll. Dasselbe muĂź daher auch hier, stattfinden.-. Zusammenhalten des Nichts zum Seyn und Bestehen: und zwar also daĂź das Nichts sowohl, als das Zusammenhalten desselben absolut unsichtbar sey, u. ewig es bleibe, indem es ja absolute Soll nicht als solches ist.(ebd. S 70 Z 13ff)

Einerseits gibt es diese Geltungseinheit des Ich, des absoluten Wissens, und ohne dieser Einheit gäbe es kein Erkennen, andererseits ist diese Geltungseinheit klar begrĂĽndet durch einen auĂźer ihr liegenden Geltungsgrund des Soll, der im Bereich des Besonderen sich zeigen wird – siehe dann 16. Stunde – in verschiedenster Weise des Triebes (der sinnlichen Natur, der gesellschaftlichen Natur, der Moral, der Gottesliebe).

Was zeigt das Phänomen „Trieb“? Er ist ein Herausgehen aus sich und zugleich wieder Verschließen. Der Trieb möchte Kausalität haben, hat aber keine – außer durch Herbeiführung von Bedingungen und durch Freiheit – so bezieht er sich gleichzeitig auf etwas anderes und auf den Geltungsgrund des Soll. Da dieser Geltungsgrund des Soll aber zur Gänze nicht eingeholt werden kann, verschließt der Trieb sich sofort wieder in sich (bleibt verschlossen). Das „absolute Soll“ bringt in der intelligierenden oder faktischen Geltungsform des Wissens den Trieb hervor, der ipso facto im Moment seiner Realisierung sich wieder verschließt, weil er sich auf den Geltungsgrund des „absoluten Solls“ bezieht. Übrig bleibt im Gefühl eine defizienter Modus der einzelnen Trieb-Erfüllung.

In der Vorstellung eines Faktums überhaupt wird allerdings das befriedigende Soll erreicht, sonst gäbe es nicht einmal ein Faktum. FICHTE spricht hier oft vom „Vorstellungstrieb“.

Der Trieb ist die Voraussetzung der Initiation der Freiheit – auf der realen wie idealen Seite der Selbstbestimmung.

Es folgt dann noch eine Aussage FICHTES zur Schöpfung aus „Nichts“ (ebd. S 71, Z 1). Weil er das Wissen durch ein kategorisches Soll begründen und gelten lassen will, deshalb ist selbst ein denkbares „Nichts“ im Sinne des Nichtseins als etwas eingeschlossen, d. h. vom Soll immer absolut zusammengehalten und im Wissen kontinuierlich gehalten (im Sinne einer „creatio continua“) Eine Schöpfung aus Nichts ist so nicht denkbar – was nicht ausschließt, dass eine Schöpfung im transzendentalen Sinne gedacht werden kann.

16. Stunde

Es kommt jetzt zu diesem angekĂĽndigten Ăśbergang von der Geltungsform (des Ich/des absoluten Wissens) zum Inhalt dieser Geltung in der besonderen Weise des Triebes:

Soll es zu einer ersten seienden Synthesis im Soll, zu einem „seyenden Soll“ kommen, so braucht es eine spezifische Geltungsform und Wissensform , „(…) eine das „schon seyende Wissen ergreifende Kausalität Hier, da das blosse Soll gesezt ist, ohne alle Fakticität. Kausalität die nicht Kausalität ist, Trieb.“ (ebd. S 72, Z 4f)

Damit vereint ist das GefĂĽhl, m. a. W. eine Evidenz des GefĂĽhls . „Schlechthin in demselben Schlage vereint. – . GefĂĽhl, Seyn u. TriebesGefĂĽhl: in Einem Schlage.“ (ebd. Z 8)

Hauptsache: ihre absolute organische, u. concrete Vereinigungs-] Kein Seyn als dieses aus dem Soll folgende, ohne Trieb, u. v[ice]. v[ersa). u. kein Gefühl des erstern ohne des lezteren, noch des lezteren ohne das des erstern. – Aus dieser absoluten reinen Vereinigung wird zu seiner Zeit sich viel wichtiges ergeben;“ (ebd. S 72, Z 10f)

d.) In dem Resultate dieses absoluten Soll liegt nun ferner nothwendig das als schlechthin u. absolute [l] ohne weitere Bestimmung u. Beisatz, als als. a.). Der Begriff ist sattsam bekannt: es ist die absolute Nachconstruktion der Construktion, die nicht wird, sondern absolut ist, u, die nicht Vor=u. Nachconstruktion voraussezt, sondern sie selbst sezt:-. das innere qualitative Seyn eben des zusammengehaltenen Nichts – zu welchem es eben als solchem, nicht kommen konnte, ohne das Soll; der innere qualitativ immanente – sage ich: die blosse Form des immanenten Seyns ist das GefĂĽhl; sein qualitatives das jezt gezeigte: mit einem Worte, reines absolutes substantielles Licht, vorerst noch ohne alle weitere Bestimmung. B. Der nervus probandi. Es wäre ausserdem gar nicht, absolute u. in sich geschlossen, – wie es doch, unter Voraussetzung des Soll seyn muĂź. /“ (ebd. Z 18ff)

Den intelligierenden und zugleich faktischen Übergang zu zeigen, ist wieder so ein Höhepunkt der fichteschen Transzendentalphilosophie: Es soll ja die Geschlossenheit der Äußerung des Absoluten nicht vergessen werden, d. h. die Einheit im Lichte und im Existentialakt bzw. das Prinzip vom Mittelpunkt des absoluten Wissens und vom Soll als Prinzip eines faktischen Seins, zugleich soll aber diese Einheit sich versinnlichen und verzeiten und inkarnieren.

Im Gefühl und im Trieb sind die nächsten, weiterführenden Anknüpfungspunkte der Versinnlichung und Verzeitigung gefunden, wodurch die Intellektion der oben erwähnten a) wesentlichen Einheit zu einer b) qualitativen und c) quantitativen Einheit und Evidenz weitergeführt werden kann.

Ein Gefühl ist durch das Soll mit einem Wert-Gehalt erfüllt, ist bereits intelligible Wertmaterie, eine primäre Evidenzform, weil die Geschlossenheit des Wissens und die Einheit eines substantiellen Lichtes „noch ohne weitere Bestimmung“ selbst der Maßstab ist und evident aufleuchtet. Zur näheren Charakteristik des „Gefühls“ als unmittelbar wahrer Begriff im Bereich des Besonderen – siehe wiederum J. Widmann. 4

M. a. W., die wesentliche Einheit, die zugleich sich äußern soll, ist qualitativ gedacht ein Gefühl bzw. eine dahinterliegender Trieb, der sich zwar äußern will, aber keine Wirkung hat, sondern ipso facto in seinem Äußern sich auf ein absolutes Soll zurückbezieht, und ipso facto in jedem Gefühl eine Unvollkommenheit und eine Defizit erkennen muss. Im Gefühl und Trieb kann ein Seiendes mit einem darin liegenden Soll in einer Synthesis verbunden und entsprechend bewertet werden als a) sein sollendes, werthaftes, befriedigendes, oder b) nicht sein sollendes Seiendes und Sein.

In der Synthesis des Gefühls (und des Denkens) wird das Sein aufgenommen in die „Existentialform“ (ebd. S 73, Z 4)

„Durch sich selber, also Ich: unmittelbar: Gefühl, u. Selbstgefühl: Nachconstruirt, -Selbstbewußtseyn:- Mit Einem Worte: dieselbe Synthesis die wir oben hatten, (sc. vgl. 11. Stunde zum Begriff der „Erklärung“; oder 12. Stunde „Erklärung aus dem absoluten Wissen heraus, oder 14. Stunde, „Erklärung als Quelle aus der wesentlichen Einheit des Wissens heraus) als den einen Grundbestandteil der Erklärung; nur mit dem Unterschiede, daß der absolute ExistentialAkt hier klärer ist. (ebd. Z 4)

HierĂĽber nun die Hauptbemerkung; so spitzfindig sie scheinen mag, so ist sie dennoch fĂĽr die Folge unentbehrlich[.] Es ist in dieser ganzen Deduktion sorgfältig zu unterscheiden zwischen dem, was aus dem Seyn als zustande gebrachtem, u. geschloĂźnem Seyn, hervorgeht, u. dem, was aus der Genesis deĂźelben, aus dem Soll hervorgeht. Nur das erste ist unmittelbar sichtbar, und das andere, in ihm mittelbar, soweit es durch seine eigene Natur geht. Das leztere, so wie wir es jezt erblikt haben, ist nur vom Standpunkte des höchsten Intelligirens aus sichtbar; u. durch ihn wird intelligibel, was dort nur faktisch ist. -. Nun geht das erstere, soweit als das als geht, u. nicht weiter, u. was das als mitbringt, die Vorconstruktion. In dem leztern liegt das absolute Zusammengehaltenseyn des Nichts, ferner der Trieb – beides absolute:-. Wie beides schon als wird, ist es zurĂĽkzufĂĽhren auf das Ich, als den Grund alles als. Schöpfung ausserhalb alles BewuĂźtseyns: Schöpfung innerhalb des BewuĂźtseyns..-.“ (ebd. S 73 Z 9ff)

FICHTE gelingt m. E. von allem Anfang seiner Wln an (1793 mit den EIGNEN MEDITATIONEN und der PRACTISCHEN PHILOSOPHIE) durch die Evidenz des Gefühls und des Triebes eine zusammenhängende Schau allen Wissens, eine systematische Einheit von theoretischer und praktischer Vernunft, weil alles theoretische und praktische Sein a) mit dem Unterschied eines Sein-Sollens (aus Genesis gewusst) gesehen wird und doch b) das Sein-Sollen und das Sein aufeinander stets bezogen bleiben durch die Geltungsform des Ich/des absoluten Wissens bzw. durch die Freiheit des Vollzuges dieser Geltungsform.

So hier jetzt in der 16. Stunde. Vorausgreifend auf Seite 75: „Aber als Soll lebendiges in sich selbst, qualitativ, ist Trieb, blosser Trieb; u. zwar innerhalb, drum treibend zu einer Bestimmung; innerhalb des Seyns; grade in der Bedeutung wie oben der Trieb abgeleitet worden, und wird gefühlt.“ (ebd. S 75 Z 12f)

M. a. W., das Wissen zeigt sich in einer Disjunktionseinheit eins wie duplizitär, will aus sich herausgehen, weil es theoretisch so gesetzt ist (Existentialform, Lichtform, Anschauungsform), kann dies aber nur in fortlaufender Konkretion und fortlaufender Kenntnisnahme von Qualitäten und Quantitäten tun – und geht so heraus aus sich und zugleich wieder zurĂĽck in sich. Das Ich/die Ichheit – insbesonders der Wille, der leider hier kaum genannt wird – realisiert und konkretisiert durch den Trieb (vorreflexiv) das gesetzte Soll-Ziel, indem es sich zugleich triebhaft wieder in sich zurĂĽck zieht und sich in der Konkretion besinnt auf das absolute Soll.


Mitgesetzt wird in diesem Herausgehen und wieder In-sich-Zurückgehen die Qualität als erste Erfahrungskategorie (im Unterschied zu KANT), und auch die Messbarkeit, „was mit dem absoluten
Seyn unendliche Quantitabilität giebt. (Zeitfüllung).“ (ebd. S 74, Z 2)

So gewiss das Wissen überhaupt ist, ist es als Soll gesetzt, „schlechthin nothwendig“ (ebd. S 74, Z 16). In unmittelbarer Folge führt dieses Soll zu einem sein sollenden „Ich“-Begriff; „das vollendete seyn des ersten (Solls) aber ist Ich. … Ich liegt im Lichte: u. ist zufolge der erstgegebenen Deduktion (sc. aus der Idee des absoluten Solls) nichts mehr, als das Princip zu dem als als als, zur Nachconstruction. (….)“ (ebd. S 74 Z 21f) Diese nähere Bestimmung des Lichts heißt „Selbstbewußtseyn“ (ebd. Z 29)

„Nicht, dass das Ich solle liegt im Lichte, dies hat einen andern Grund, sondern dass das Sollen dem Ich, demselben Einen, das da auch vorstellt, beigemessen werde. Dieses Synthese liegt in ihm, absolute: unerklärlich, reines Faktum des Bewußtseyns. Wie aus dem vorstellenden Ich ein sollendes folge (wie auch etwa umgekehrt) liesse sich nimmer erweisen; es ist ein absolutes Faktum innerhalb des Wissens. Nur im absoluten Intelligiren, des Soll als Soll, ist es in seinem Grunde erklärbar.“ (ebd. S 74 Z 31ff) 5

Nicht das Gefühl direkt vermittelt das Soll, schon gar nicht das substantielle Licht oder die Äußerung der Erscheinung des Absoluten selbst, dann gäbe es überhaupt keine Freiheit für das Ich und spätere faktische Bewusstsein, sondern vermittelt durch die Geltungsform Ich/absolutes Wissens, das lebendig ist und tätig, durch Freiheit und Trieb ermächtigt, kommt es zu einem Soll, das als Soll verstanden und vermittelt und konkretisiert werden kann. Im Licht und im Gefühle, aber nicht durch das Licht und durch das Gefühl, wird das Soll erkennbar und wissbar gesetzt – und, wie gleich folgen wird, in einer Verschränkung von conditionalem Denken des Solls und kausaler Wirkung des Solls.
M. a. W., die Geltungsform Ich/absolutes Wissen wird als äußere und alles umfassende Geltungs-Form weiter begründet und gerechtfertigt – und bleibt doch eine geschlossene Einheit in und aus der Existentialform des Dasein des Absoluten.

„(…)DaĂź das Ich, als Princip des Vorstellens, u. als das getriebne wieder als Ein Ich, in der ExistentialForm vereinigt,(…).(siehe gleich folgendes Zitat, S 75 Z 27)

„Nun ist dieses Ich des Triebes, u. sein Gefühl zugleich im ursprünglichen Lichte. Das Gefühl ist daher absolute bewußt, alles zufolge des Soll: u. so weit geht das schlechthin bestimmte nothwendige Wissen.
Sein Gefühl (sc. das bereits im faktischen Bewusstsein oder Selbstbewusstsein begriffene Gefühl) ; es versteht sich im Lichte nicht als Soll: denn, darauf daß das Soll im Lichte als Soll werden soll geht eben der Trieb; der aber als blosser substantieller Trieb, u. nichts weiter, sein angestrebtes nicht zu realisiren vermag. Und so bleibt das Gefühl, und das Bewußtseyn desselben bloß Gefühl eines absoluten Triebes schlechthin, der keine Rechenschaft von sich zu geben weiß, u. überhaupt das lezte, u. höchste Princip im Ich ist.
Daß das Ich, als Princip des Vorstellens, u. als das getriebne wieder als Ein Ich, in der ExistentialForm vereinigt, u. also gefaßt werden muß, wenn es überhaupt zu dieser seiner zwiefachen Existenz auch äusserlich kommen solle, versteht sich, u. bloß als MittelGlied des zugleich folgenden wird es aufgestellt.“
(ebd. S 75, Z 20ff) 6

„In diesem sich fassen, faßt das Ich sich als Licht: denn nur das Licht ist es, in welchem, wie gesagt wurde, die unmittelbar folgende Spaltung in blosse Vorstellung u. in Trieb vereinigt sind.“ (ebd. 75.76 Z 32 u. Z 1f)

M. a. W. das theoretische Gesetztsein des Ich/absoluten Wissens als Hinausgehen, Sich-Äußern, Auffordern und Aufgefordertsein, ist nicht leere Geltungsform, sondern gerade durch das Soll dieses Gesetztseins eine lichthaft-geeinte Geltungsform, eine sittlich-praktische, werthafte angehobene Möglichkeit – um die Wirklichkeit in concreto zu begreifen und zu verstehen in ihrem ganzen Sinngehalt.

So wird einerseits die Transzendenz der ERSCHEINUNG des Absoluten gewahrt, als auch die Freiheit des Ichs/des absoluten Wissens/der lichthaften Geltungsform. Es kommt, mit J. Widmann gesprochen, zu den Evidenzformen verschiedener Stufe, zu den Evidenzformen der Natur, des Logos, der Geschichte und des Sinns. 

Es ist hier alles äußerst knapp ausgedrückt: Die Vorstellungsfähigkeit ist selbst ein Trieb. Im Vorstellungstrieb geschieht immer schon eine „Befriedigung“ des hinausgehenden Triebes, weil ja eine wirkliche Vorstellung und ein wirkliches Wissen des Vorgestellten im Vorstellenden erreicht wird, eine erste, wirkliche Synthese mittels Licht im faktischen Bewusstsein.

Im aktuellen Sich-Fassen fasst das Ich sich als Licht, so wurde oben gesagt, als faktisches Bewusstseins – und das ist jetzt übertragen durch die Vorstellung auf die Ebene der Vorstellungswelt des sinnlichen Gehemmtseins bzw. des interpersonalen Aufgefordertseins.

Der Vorstellungstrieb – § 4 der GWL – ist aber nicht der ganze Trieb des lebendigen, tätigen, wollenden Ichs, nicht die ganze Geltungsform des Ich-Wissens, sondern sittlich-praktisch und werthaft kommt es zur „Wahrnehmung“ (ebd. S 76 Z 7) und somit auch zu weiter vorgesehenen Spaltungen. 7

M. a. W., die im alltäglichen, faktischen Bewusstsein stets anzutreffende hiathaft empfundene Vorstellung, dass im Vorstellen zwar ein synthetisches Wissen wirklich und wirksam erreicht ist, aber dass trotzdem ein Unterschied bleibt zwischen Vorstellung des vorgestellten Inhalts und Vorgestelltem, zeigt sich als im und durch das Licht selbst vorgesehene und im Licht und durch das Licht einsehbare Unterscheidung, als deduzierbar Idee einer Vorstellung, damit die Einheit einer lichthaften, wertorientierten Geltung erreicht werden möge – in jedem konkret begegnendem Seienden.

Die konkrete Wahrheit eines bestimmt Geltenden wird für gewöhnlich zuerst der sinnlichen Wahrnehmung zugesprochen, doch psychologisch müsste mit einem intelligiblen Geltungsgehalt auf der idealen Reihe begonnen werden, bei der intelligiblen Aufforderung einer anderen Person, wodurch ein Ich ein konkretes Ich und ein anderes Ich ein konkretes Du erst wird.
Wie oben nach M. Gerten gesagt wurde: die reine Geltung wird
als in sich immanent begriffen, zugleich aber in ihrem Gehalt als dem Wissen transzendent. Das trifft ja besonders auf die Erkenntnis anderer Personen zu: Sie werden als andere Personen wahrgenommen, in ihrem Wesen aber als frei und transzendent, innerhalb der einen, lichthaften Geltungsform der Ichheit gesetzt, aber inhaltlich voneinander verschieden.

M. a. W., es liegt in der reinen, absoluten Geltungsform des Ich diese allgemeine wie spezifische Form der Explikation, sodass einer realen Wahrnehmung immer eine ideale „Wahrnehmung“, dem äußeren Sinn der Wahrnehmung ein innerer Sinn der Apperzeption und Perzeption, entsprechen muss.

Die in der Vorstellung und als Vorstellung erreichte Einheit des Wissens durch das Licht – ist aber ebenso durch das Licht eine vorgesehene und einsehbare Spaltung des Wissen, eine „(…) „Bestimmung, d. i. inere Accidentalität des Lichts durch sich selbst“ (ebd. S 76, Z 8)

M. a. W. die reale und ideale „Bestimmung“ der Vorstellung ist deshalb immer von einer sittlich-freien, werthaften Charakterisierung begleitet – dank der lichthaften und geeinten Vorstellungs- und Darstellungskraft. (Dies wird in der 17. Stunde mittels Zweck-Begriff noch eindrücklich geschehen.)

„Dieses also gefaßte-Licht macht u. bestimmt sich nun unmittelbar durch sein Seyn zu dem was es ist (bestimmt durch einen ihm schlechthin verborgenen Grund) es findet sich daher bloß in diesem seinen Seyn, ohne irgend einen Grund zu vermuthen = Wahrnehmung: durchaus im strengen wesentlichen Sinne erklärt: Bestimmung, d. i. inere Accidentalität des Lichts durch sich selbst, reflektirt; ist ihr Charakter:“ (ebd. S 76, Z 3f)

ZurĂĽckschauend nochmals gesehen: das Licht ist weitergefĂĽhrt als gesolltes Sein im GefĂĽhl und im Trieb, und ist als anfangs so definierte reine, inhaltsfreie Geltungsform des Ichs eine offene, durch Freiheit und Zeit und Geschichte ausfĂĽllbare, inhaltliche und vollendbare Geltungsform geworden. Was immer an Wahrnehmung begegnet, real, ideal, ist freiheitsbestimmt und freiheitsbesetzt und sittlich-praktisch validiert.

Die Wahrnehmung ist eine, wie zitiert, „inere Accidentialität des Lichts durch sich selbst“, und muss in einem sehr umfassenden Sinne verstanden werden, sinnlich und metaphorisch, wenn ich so sagen darf: Die Wahrnehmung eines sinnlichen Gefühls, die Wahrnehmung eines Zeichens, eines Wortes, die Wahrnehmung eines gesellschaftlichen Affektes oder die Wahrnehmung göttlicher Liebe. FICHTE kennt hier ein breite Palette der Gefühle und Emotionen – siehe „PRACTISCHE PHILOSOPHIE“ von 1794 oder SL von 1798 oder beschreibt oft den Gehalt der Wahrnehmung – siehe z. B. WL 1801/02 2. Teil § 8.

17. Stunde

Zuerst Wiederholung und Zusammenfassung:

„II – Setze man nun, daĂź es zum BewuĂźtseyn dieses Triebes, in der Form des Soll komme; so kann dieses da es im Ich liegt, nur innerhalb des Lichtes, u. als innerhalb des Lichts liegend, geschehen.. Setze man daĂź[,] sagte ich: den[n] im absoluten Soll liegt das Faktum durchaus nicht, sondern nur der Trieb dazu, der in der Wahrnehmung auch noch auf eine andere Weise abgeleitet wird, und das absolute Vermögen im Lichte: (Das leztere ist bedeutend, auch aus der Bestimmung der Erscheinung bekannt. ich kehre aber noch dahin zurĂĽck.) [/]“ (ebd. S 76 Z 21ff)

Es folgt eine Unterscheidung von Soll und Trieb, obwohl oben der Trieb selbst schon als höchstes Prinzip in der Geltungsform des Ichs prinzipiell behauptet wurde und vom Soll her bestimmt war. Trieb, insbesondere sinnlicher Trieb, sinnliches Begehren – und Freiheit, Wille, Pflicht, können sich im letzten nicht widersprechen. Hier wird nochmals unterschieden zwischen einem höherem Soll und dem Trieb – in einer gewissen, noch bekannt zu machenden Absicht: Das Soll als Soll bleibt innerhalb des Lichtes – und wird so unterschieden vom Soll als Trieb im faktischen Sein.

Wenn der Trieb und die in ihm wohnende Freiheit total auf die wörtliche wie metaphorische Wahrnehmung monokausal bezogen wären, wäre das letztlich determinierend, wäre eine intelligibel gesetztes „Soll“ angenommen, das aber Freiheit nicht mehr ermöglicht.

Die Wechselseitigkeit von idealer und realer Selbstbestimmung/Bestimmung durch Soll und Trieb verlangt nochmals eine Begründung und Rechtfertigung des Wechsels. Es muss, wie von allem Anfang an FICHTE betont hat, eine zusätzliche, mit der GWL von § 4 von 1794 gesprochen, „unabhängige Tätigkeit“ geben, die den Wechsel ermöglicht und schließlich rechtfertigt.

FICHTE nennt das ĂĽber das faktische Prinzip des Triebes hinausgehende höhere Prinzip zuerst einen „kategorischen Imperativ“ (ebd. S 77, Z 14) oder ein „kategorischen Soll“ (ebd. S 77, 11) – und reflektiert das Prinzip zuerst nur von auĂźen, „fĂĽr uns als Philosophen“. Später wird diese Idealform des Prinzips als sich real bewährend in uns und fĂĽr uns reflektiert werden können.

„Es ist im Lichte, d.i. im Ich: und da es als solches Princip für das Ich der Wahrnehmung ist, ein kategorisches Soll an dieses Ich.. Neue Synthesis des Ich, und Vereinigung desselben, bekannt aus der W.L. Also der bekannte kategorische Imperativ: der Schöpfer der sitt{lichen]. Welt, sowie des Soll[,] nicht als der Schöpfer der sinnlichen. (…) -. Die Hauptsache ist nun das Verhältniß dieser zwei Welten zueinander zu erforschen. Verhältniß = ruhend auf Princip: also wir müßen die Maxime des intelligirens anwenden: u. NB. er halten in dieser Anwendung nicht gerade ein Faktum des objektiven Bewußtseyns; denn darüber wollen wir uns die Untersuchung noch offen erhalten, sondern eine Einsicht indessen für uns, als Philosophen.“ (ebd. Z 15ff)

Eine bloß wechselseitige Erklärung von substantiellem Licht und akzidentiellem Licht im Triebbegriff bzw. eine bloße Wechselseitigkeit aufgebaut auf „Naturkraft, und Trieb des Ich“ (16. Stunde, S 76, Z 17), oder mit anderen Worten, ein „NaturWille, eine Synthesis der beiden Iche, als Vorstellen und thätige Kraft“ (ebd. Z 18), ergibt noch nicht eine transzendental übergeordnete, einsichtige Erklärung dieser Doppelheit des Ichs. Die wechselhafte, triebhafte Vorstellung von Denken (Soll) und Sein muss transzendental eingeschaut und begründet werden. Es soll ein Prinzip sein, in dem „das Licht in sich selber sein Seyn (erklärt)“ (ebd. S 77, Z 32)

FICHTE geht hier wieder sehr diffizil vor, und findet und bestimmt den Begriff der „Absicht“ und den „Zweckbegriff“.

„Der Gebrauch der vom Princip hier gemacht wird, ist daher der, daß ein absolutes Daseyn innerhalb des Daseyns selber ein Princip bekomme.-. Nun ist das absolut zu setzende Daseyn nur das des Lichtes: es giebt daher gar keine Anwendung dieser Form des Princips ausser im Lichte, auf das Licht. Das Princip in dieser Form nennt die Sprache sehr bezeichnend Absicht (absehen, ein herabsehen, ableiten unmittelbar im Sehen oder gewöhnlicher: Zwek. Das durch das intelligiren herbeigeführte charakteristische Princip ist der Zwekbegriff.“ (ebd. S 77. u. 78 Z 34ff)

Das Licht, das sich bisher schon im Gefühl und im Trieb geäußert hat, sonst wäre es zu überhaupt keiner Erkenntnis und Reflexion gekommen, weiter in der Wahrnehmung verborgen präsent war, hat jetzt eine nähere Aufklärung ihres eigenen Seins erhalten: Das Licht begreift und durchschaut sich im Zweckbegriff, wie es zu einem erscheinenden, „absoluten soll“ überhaupt kommen kann, indem der Zweckentwurf rück-bezogen ist auf das ursprüngliche, absolut erscheinende, ontologische Prinzip der Einheit und des Lebens.
M. a. W., das Licht genetisiert sich selbst im Zweckbegriff und bestimmt sich wechselseitig zu einer idealen und realen Form der Selbstbestimmung und Bestimmung, zu einer Gotteslehre, Rechtslehre, Morallehre und Naturlehre und synthetisiert die Wechselseitigkeit zu einer Einheit eines Prinzips, das die Welt im Ganzen verstehen lässt, „eine Welt ohne Beinahmen“.

Also: das absolute soll, wie es eben aufgestellt wurde, ist der Zwek des Daseyns der Wahrnehmung, und sie ist da lediglich um des ersten Willen.. Und die Sache steht nun so: Der kategorische Imperativ oder die sittl[iche]. Welt soll selbst seyn(,) absolute seyn; aber er kann nicht seyn, wenn nicht die Wahrnehmung oder die sinnl(iche) Welt ist: darum, darum aber allein soll diese gleichfals seyn: Erklärung aus dem Grunde, die Wurzel des Daseyns umfassend, das Soll, nicht im Lichte, aus dem Soll im Lichte. aber nur teleologisch. Dergl[eichen). nun das absolute Princip beider Welten, als durchaus nur Einer ist. Nicht mehr zwei, sondern soweit wir bis jezt sind, die Eine Welt ohne Beinahmen.“ (ebd. S 78 Z 12ff)

Ich las von einer „Tyrannei des Sittengesetzes“ 8. Das „absolute Soll“ oder der „kategorische Imperativ“ sei moralisch zu verstehen und mĂĽsse moralisierend auf die Genesis des Wissens und Selbstbewusstseins ĂĽbertragen werden. Dadurch entsteht aber eine heteronome Fremdbestimmung, eine Determination der Freiheit durch den Trieb oder das Sittengesetz – wiewohl umgekehrt der Trieb gerade die Voraussetzung der Freiheit ist, wie oben gesagt wurde. In welchem Zusammenhang tauchte das Soll zuerst auf? Im Zusammenhang mit dem Seins-GefĂĽhl und dem Trieb und der Wahrnehmung (16. Stunde) – nicht in einem moralisierenden Sinne. Der „Zweckbegriff“ ist hier eindeutig in und aus dem realen Akt des Lichts eingefĂĽhrt. Das Licht, so wird gesagt, erklärt sich mittels Zweckbegriff sein eigenes Sein – nicht: das Licht diktiert ein moralisches Sein oder das Licht ist ein moralisches Sittengesetz. Die weiteren Folgerungen präzisieren diesen transzendentalen-ontologischen Standpunkt der Selbsterklärung des Lichts m. a. W. der Geltungsform des Ichs/des absoluten Wissens.

FICHTE spricht gerade im nächsten Zusammenhang davon, dass KANT die Gottesidee in seinem kategorischen Imperativ nicht richtig gefunden habe, „(…) eigentlich Gottes vollkommen entbehrendes System (…)“ (ebd. S 78 Z 25), weil er durch eine moralisierende Art des Denkens gerade die Gottesidee selbst versinnlicht habe; oder von der reale Seite herkommend gesagt: durch einen nur moralisierenden kategorischen Imperativ verdrängte und entwertete er die sinnliche Natur in ihrem durch Freiheit mitbestimmten Eigen-Wert.

Bei FICHTE ist hier durch das Soll von freier Ergänzung des „Naturgesetzes“ die Rede (ebd. Z 37), und von einer Vereinigung von sinnlicher Natur und Moral in der Rechtslehre „als Naturlehre von der menschlichen Gattung, als Sphäre der Sittlichkeit“ (ebd. S 79 Z 5).

Der Widerspruch, von welchem aus wir unsre Untersuchung anhoben, hat sich unter unsern Händen verloren. Das absolut substantielle Wissen in seinem immanenten, u. drum qualitativen Seyn ist ein Zwekbegriff. Im Zwekbegriffe aber erklärt das Licht selber seyn Daseyn: es sezt sich daher in demselben u. sezt sich voraus absolute, als Faktum, indem es sich nicht absolute sezt, als Zwek. Beides daher, die faktische Absolutheit, u. die intelligible NichtAbsolutheit, die vorher in Widerspruch gesezt wurden, weit entfernt sich zu widersprechen, fodern sich gegenseitig. Das Seyn des Zweks sezt das Licht:-. Das Licht hinwiederum in seiner reinen Substantialität sezt den Zwek.-.“(ebd. S 81 Z 14ff)

Durch die „unabhängige Tätigkeit“ des Zweckbegriffes kann der Wechsel der Geltungsbestimmungen auf der idealen wir realen Reihe der Selbstbestimmung und Bestimmtheit und der idealen wie realen Bestimmbarkeit erklärt und abgeleitet werden. Das so fremd, absolut und kategorisch eingefĂĽhrte Soll – das vom Standpunkt des Geltungsgrundes auch transzendent bleiben muss – zeigt sich im Licht und durch das Licht in einer praktisch-logischen Erklärungsart und mit einem kategorischen und teleologischen Sinn: Die Genesis des Wissens und des Selbstbewusstseins hat einen Zweck. „(…) das Licht in seiner absoluten Accidentalität oder bloĂźen Wahrnehmbarkeit durch sich selber, als Substanz.(…)“ (ebd. S 79 Z 6f)

Siehe jetzt längeres, erhellendes Zitat:

„(…) Es wird auf diese Weise erklärt die Sinnenwelt, d. i. das Licht in seiner absoluten Accidentalität oder bloßen Wahrnehmbarkeit durch sich selber, als Substanz.(ebd. S 79 Z 6f) (…) Von Quantitabilität, u. aller Bestimmung in ihr wird hier, unsern Blik rein auf die Form des Lichts gerichtet, abstrahirt: Das etwa uns beiwohnende historische Wissen, daß der kategorische Imperativ das Ich durch die Zeit, u. zwar eine unendliche aus dehne, verschlägt uns drum nichts. Aber selbst dies abgerechnet: geht denn nicht das Licht unmittelbar im Soll, schlechthin als solchem auf, ist es denn also nicht durch diese Form bestimmt: und läßt diese Form sich denn anders, denn als ein bloßes Seyn, fassen, u. drum wahrnehmen? – Ich antworte ja: das Bewußtseyn des Soll als solchen ist selber nur Wahrnehmung. Aber das Licht nimmt sich hier als absolutes Princip seiner selbst wahr: das soll mit seinem Inhalte erscheint, als rein sich aus dem Begriffe entwikelnd: Es ist daher, im freilich faktischen Lichte der Wahrnehmung ein Uebergang vom Princip [/] zum Principiat, u. von der Substanz, dem reinen Lichte, als solchem, zum Accidens dem soll, (…)“ (ebd. S 79 Z 13ff)

Das Licht verhält sich zum wirklichen Dasein des Ichs der Wahrnehmung sogar „bloß leidend“ (ebd. Z 31) – also weit entfernt, dass eine moralische „Tyrannei“ in das zweckhafte und lichthafte Erkennen und in die ganze Struktur der Wissensprinzipien eingeführt werden solle.
Das Soll ist mit der Einführung des Zweckbegriffs „als Soll“ noch gar nicht realisiert (ebd. S 80 Z 9), sondern erst durch Freiheit kann es realisiert werden – mittels Zweckbegriff. Das Soll erscheint zwar phänomenal auf der Ebene der Wahrnehmung, „erscheint“ (im kantischen Sinne) als Prinzip (ebd. Z 14), ist es aber nicht als moralischer Bestimmungsgrund. Erst mittels Zweckbegriff kann dieser Schein in seiner Wahrhaftigkeit begriffen werden, d. h. kann das Sein des Solls in seinem Wert begriffen und realisiert werden (und in sekundärer Weise verworfen werden.)

Nochmals anders gesagt: Das Sein des Solls ist kein heteronomes, von außen herankommendes Sein – oben wurde anfangs angedeutet, dass es nur vom Philosophen eingeführt und beobachtet ist – sondern ist durch den Zweckbegriff in uns selber und in einem qualitativen Sinne aufnehmbar. M. a. W., das Bild des Seins in uns kann durch Zweckbegriff und Freiheit zu einem eigenen Bild des Bildes werden, dessen Bewährung im Geltungsgrund des vorausgesetzten Seins bleiben muss, andernfalls das Bild selbst zum heteronomen Sein würde.

Dieses nun selbst wieder in seinem Princip intelligirt: gesezt sie sollte seyn, diese Reflexion, welches ihr Grund: eben damit das uns fremde absolute sey, in uns u für uns, und damit es nicht nur angeschaut werde in absolut ursprünglicher Evidenz des daß, (welches wieder unser erster Satz, von dem wir ausgingen, wobei wir damals stehen blieben, sondern zugleich intelligirt werde, in seinem qualitativen Leben. Wie lebt es in uns: durch das soll eben, u seinen Inhalt: dies sein eignes Leben in unserm Nichts:“ (ebd. S 80 Z 25)

Wenn das Licht durch den Zweckbegriff sein eigenes Dasein setzt, sich voraussetzt absolut, als Faktum (siehe oben Zitat S 81, Z 19), ist der eine und erste Standpunkt der Wechselseitigkeit einer idealen und realen Reihe als solcher bestimmbar: Es ist die Gotteslehre („das absolute in uns“) und im Gegensatz „die andere Welt ohne Beinahmen“.

Das Licht, vom faktischen Standpunkt selbst aus gesehen, ist zu einer Art Selbst-Aufgabe geworden, zu einer „Nachkonstruktion“ in Konkordanz zum „absoluten Soll“ des Zweckbegriffs. (Siehe sehr schön dazu in der WLnm das ständige Kreisen um Erkenntnis und Zweckbegriff. Der höchste Zweckbegriff wird uns gegeben usw. – siehe dazu Blog von mir, Kommentar zur WLnm; oder siehe SL von 1798, der höchste Zweck als Zweck der Selbstständigkeit.)

„Das Licht in seinem eigentlichen substantiellen Seyn ohne Täuschung, rein sich durchdringend, u wie es an sich ist[,] hat sich erst hier dargestellt, es ist das als, oder die Nachconstruktion zu dem absoluten soll, [/] als fremdes Princip im Wissen, d.i. das absolute in ihm. Dieses substantielle Wissen ist nun er klärt: also A. – u. nach welchem Gesetze. Offenbar aus einem Zwekbegriffe: die Anschauung u. ErkenntniĂź des absoluten soll schlechthin seyn ist der absolute Zwek alles Daseyns: Drum muĂź das rein substantielle Wissen seyn. Drum (die Intellektion desselben im BewuĂźtseyn) u. s. w. Eine Welt, des göttl[ichen]. Lebens. Daseyn dieses Lebens = Wissen: die Bedingung davon, die andere Welt ohne Beinahmen. (ebd. S 81, Z 3ff)

Das absolute Soll, zuerst ein fremdes Prinzip im Wesen des Ichs und der Reflexion, FICHTE bezeichnet es hier als „Potenz“ C, ist durch den Zweckbegriff bestimmbar, anschaubar geworden (B), und A. (das absolute?) „soll intelligirt, innerlich durchdrungen“ werden. (vgl. ebd. Z 26f) „(…) Teleologie, allein giebt Leben: Wahrnehmung ist das Princip des Todes.“ (ebd. Z 32)

„Die eine Welt gegenĂĽber Gott erklärt sich so, dass sie faktisch sein soll, damit – teleologisch – das kategorische sittliche Soll wirklich wird.“ 9

„Das Kategorische und Teleologische fallen nicht auseinander, noch sind sie entgegengesetzt, sondern beiden gelten als konstitutive Bestimmungen des praktischen Freiheitsbewusstseins. Der kategorische Faktor betrifft die Rechtfertigung des Prinzips der Sittlichkeit, der teleologische die Konkretion des Prinzips selbst. 10

© Franz Strasser, Jänner 2022

1Siehe wiederum M. Gelten, Sein oder Geltung, ebd. , S 214.

2Ich verweise hier auf andere Blogs zur Ableitung der Zeit – siehe z. B. Kommentar zur WLnm 4. Teil. Die Einheit des Bewusstsein (die Form, die Geltungsform) muss sich im theoretischen und praktischen Hinausgehen und Wollen ĂĽber die Appositionsreihe selbst verteilen und ĂĽber die Mannigfaltigkeit der GefĂĽhle hinweg ein Nacheinander setzen. Die Mannigfaltigkeit der GefĂĽhle – nicht bloĂź die ideale Form des Fortgehens – wird durch die Appositionfähigkeit des Bewusstseins als zusammenhängend gedacht, als reale Reihe der Dependenz (GA, IV, 2, WLnm § 11, S 119). Die Einbildungskraft macht die Apperzeption zur dauernden Apperzeption, substantialisiert sie zur Dauer der Einheit des Ichs – und es entsteht die Erscheinungszeit im Unterschied zur Entscheidungszeit im intelligiblen Ich. Erscheinungssubjektiv und erscheinungsobjektiv liegt in der Erscheinungszeit eine empfindbare, reale Materie, weil ja auf der Ebene der GefĂĽhle und ihrer VerknĂĽpfung gehandelt wird. So ist Zeit ein ideal-reales Phänomen, je nach Standpunkt. In der Diktion zu Beginn § 10, WLnm, kommt die Fähigkeit des Linienziehens „nach allen möglichen Directionen hin“ (ebd. S 101) dem Handeln des Ichs in seiner Potenz der freien Intelligenz zu, dass also etwas nur sein kann, wenn es der Möglichkeit nach im Sich-Bilden der Intelligenz angelegt ist, auch die Möglichkeit der Anschauung des Linienziehens und des Raumes. Ergo liegt selbst der Anschauungsform Raum, später der Anschauungsform Zeit, eine intentionale Bewegung zugrunde, eine Modifikation der Freiheit, mithin, wenn schon nicht ein bestimmter Zweckbegriff im Linienziehen selber gefunden werden kann – und das zu einer Geometrie und Physik fĂĽhrt – so doch eine prinzipielle Intention: Das in der Intelligenz auf die Idee hin Angeschaute und mittels Raum- und Zeitanschauung Begriffene – Zeit und Raum werden gleichzeitig mit dem Angeschauten erzeugt – soll so vollständig und vollkommen wie möglich vorgestellt und praktisch-logisch angepasst werden.

3J. Widmann arbeitet anhand der WL 1804 zuerst vier Stufen der Phänomenologie des Erkennens heraus, Natur, Logos, Geschichte, Sinn, man könnte auch sagen, grundlegende Reflexionsformen, um auf einer fĂĽnften Stufe die Evidenzformen (oder Lichtformen, Reflexionsformen) benennen zu können – vgl. ebd., S 182ff. FICHTE springt hier an dieser Stellte GSRL sozusagen mit dem Wort „AusfĂĽllen“ und zeitliches Linienziehen sogleich auf diese fĂĽnfte Stufe der Evidenzform von Geschichte und Sinn auf.

4J. Widmann, a. a. O., S 213 – 216.

5FICHTE gibt hier m. E. eine sehr schöne Beschreibung der Freiheit: Da einerseits am ganzen Aufbau des Wissens festgehalten werden soll, am „geschlossenen absolute(n)=Gott“ (ebd. S 121 Z 6), so widerspricht ein faktisches Bewusstsein nicht diesem göttlichen Grund der Freiheit. Aber nur frei kann über den Inhalt des Vorgestellten im Vorstellen geurteilt werden, und nur frei kann das Ich ein übergeordnetes Soll als Soll annehmen, nie autoritär in blinder Gehorsamsmanier. Wäre das Vorstellen von vornherein nicht ein freies Bildes oder wäre es gar determiniert oder gewaltsam erzwungen, gäbe es weder von der Seite des faktischen Bewusstseins her, noch vom absoluten Soll her , eine gewusste Vorstellungseinheit, geschweige eine praktische Freiheit des Handelns und Wollens. Es gäbe mithin kein vernunftgemäßes Erkennen und Verstehen, sondern bloß Vermutungen, wie das Erkennen idealistisch oder realistisch, durch mancherlei externale oder interne Bedingungen bedingt, zustande käme.
Freiheit hingegen in der transzendentalen Erkenntnislehre ist in der Äußerung des Daseins des Absoluten und durch ein innewohnendes Gesetz des Sich-Bildens notwendig ein „modus des Seins“,
aber auf der Erscheinungsebene der Zeit und des Raumes auch „die Nichtfolge in Gott, drum die absolute nur faktische Erkennbarkeit“ (ebd. S 122 Z 1). Das faktische Bewusstsein widerlegt nicht die intelligibel erkannte Freiheit, im Gegenteil, bestätigt im Vorstellungsvermögen die intelligible Freiheit.
In und durch die Einheit des intelligierten Ich/Ichheit ist sowohl Vorstellung wie freies Handeln und Wollen auf der Ebene des faktischen Bewusstseins möglich. Das würde z. B. besagen, dass der Modus einer wörtlichen Mitteilung eines göttlichen Wortes, wie die Offenbarungsreligionen gerne formulieren, ohne Freiheit des Selbstvollzuges auf theoretischer Ebene der Vorstellung wie auf praktischer Ebene des Wollens nicht gedacht werden kann. Das göttliche Wort bloß als Mitteilung an unser Ohr und Herz zu formulieren, das erklärt noch nicht die transzendentalen Bedingungen der Möglichkeit des Verstehens desselben. Der Denkansatz eines „Hörer des Wortes“ nach aristotelischen Seinskategorien ist hier sehr bedenklich, ebenso jeder externale Ansatz der Mitteilung einer göttlichen Bekanntmachung, wie mir das beim ISLAM der Fall zu sein scheint.

6Populär ausgedrückt: vom sinnlichen, naturalen bis zum intelligiblen Trieb in der Gesellschaft, ja bis zur Gottesliebe, ist diese innere Kraft des Herausgehens und Wollens und Zwecksetzens zu erkennen, diese Kraft des tätigen Triebes. Der Trieb ist hier klare Voraussetzung der Freiheit. Einen Trieb nur sinnlich zu verstehen, wäre sehr eingeschränkt. Das Lebendige, Tätige, Kräftige im Gefühl wird durch den Trieb erst bekannt und vermittelt, als lebendiges Sollen und Wollen, wenn auch das Sollen und Wollen durch den Trieb selbst gar nicht vollendbar ist, sondern nur durch Freiheit. Die Freiheit muss auf den Trieb aufbauen, um das Soll wirklich werden zu lassen, und umgekehrt kann der Trieb nicht ohne Freiheit und Wollen (und herbeigeführte Bedingungen) erfüllt werden.

7Es wäre hier vielleicht der genetische Ort, die Struktur der Sinnes-Wahrnehmung aus diesem Schema der lichthaften Geltungsform des Ich abzuleiten. Siehe Literatur bei A. MUES, Die Einheit der Sinneswelt, oder R. LAUTH, Naturlehre.

8C. Binkelmann kommt in einem Aufsatz m. E. zu einer falschen Einschätzung der Trieblehre im gesamten Bereich des Aufbaus des menschlichen Ichs, obwohl er von einer systematischen Erklärung spricht und schlussendlich ein Schema des Triebes vorstellt. C. Binkelmann, Phänomenologie der Freiheit. Die Trieblehre Fichtes im System der Sittenlehre von 1798, Fichte-Studien Bd. 27, 2006. im Zweckbegriff geht es zuerst und eigentlich überhaupt nicht um einen Begriff der Moral, unter den nun das gesamte Tun und Handeln des Triebes und der Wahrnehmung subsumiert werden könnte, wie es ja im Trieb und im Tun ebenfalls nicht nur um Moral geht, sondern um Erkenntnis.

Die moralische Gewissheit z. B. in der SITTENLEHRE von 1798 (=SL) ist bei Fichte durch seine grundsätzliche Einheit der sinnlichen und intelligiblen Seite des menschlichen Natur weit ĂĽber Kant hinaus ausgearbeitet. Der Pflichtbegriff widerstrebt im Grunde nicht den sinnlichen Neigungen, zumindest formal nicht mehr, weil „Naturtrieb“ und „reiner Trieb“ (zur Selbstständigkeit) im „Urtrieb“ schon geeint sind. Insofern in der „SITTENLEHRE“ von 1798 das moralische Handeln und die materiale Seite der Freiheit zum Fokus gemacht werden, bekommt die Intention des Setzens und das in der GWL so explizit herausgearbeitete Streben des Ichs natĂĽrlich eine etwas einseitige, „moralische“ Schlagseite, aber das betrifft bei weitem nicht die ganze Konstitution des menschlichen Erkennens, Handelns und Wollens und generell nicht die ganze Seite der Sich-BezĂĽglichkeit des Wissens. Der Zweckbegriff geht in seiner Funktion auf eine prinzipielle Erklärung der „Welt“, d. h. einer wissenschaftlichen Vereinheitlichung aller Bereiche der Wirklichkeit, wie es dann Thema des 4. Teils der GSRL von der 18. – 23. Stunde werden wird: Die Ableitung der Faktizität insgesamt (nicht nur der Pflichten) ist durch den Zweckbegriff (als Akt des Lichts) ermöglicht.

9R. Lauth, Einleitung, GSRL, S XVIII.

10MARCO IVALDO, Die systematische Position der Ethik nach der Wissenschaftslehre nova methodo und der Sittenlehre 1798, in: Fichte-Studien, Bd 16, 1999, S 246.

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Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser