J. G. Fichte, Glaube und Wissen in der WL 1805, 13. Vorlesungsstunde – 2. Teil

Das Absolute als Grund des Lichtes „im Grundseyn“ des Existentialaktes ist formal erweisbar, aber sobald es projiziert und objektiviert wird, gilt es nicht mehr. „Dies gilt nicht, u. dies nicht gelten lassen ist eben der Glaube, durch welche allein die W.L. zum Absoluten kommt, u selber wird.“ (13. Vorlesungsstunde, ebd. 238, Z 15, Hervorhebungvon mir )

Fichte kommt am Schluss der 12. Stunde nochmals auf den Existentialakt des Wissens zurück: Die höchste, oberste Einsicht in das Absolute ist sein „existieren, als existieren, in der sich selber aufgehenden Form des Intelligierens“ (Ende 12. Vorlesungsstunde, GA II, 9, S 237, Z 12).

Wenn es diese Existentialform des Absoluten gibt, so existiert das Lichtsein ebenfalls in einer Selbstständigkeit des Grundseins.

denn das Existiren ist ja selbst Licht: Licht aber ist Grundseyn, u. So bringt allerdings das Licht, aber nicht das vorborgene der W. L., sondern das ihr offenbare des göttlichen Existieren den Grund mit. – Sie die W. L. kann nichts mitbringen, denn sie vernichtet sich, u. wird erst durch diese Selbstvernichtung.“ (ebd. Z 22ff)

In der 12. Vorlesungsstunde hieß es noch pauschal, dass das Licht sein Grundseyn im und aus dem Absoluten mitbringe; aber irgendwie müsste die Einsicht in die Gewissheit doch in einer erkennbaren Form der Objektivation des Absoluten anschaubar und möglich sein?

Das Existiren des absoluten nur absolut: also eben Akt, Princip, Grund; im Existiren, das eine Relation ist, absolutes Als, in unmittelbare Einheit, u. Absolutheit also Licht. Bei dem leztern; nicht weiter zu zertheilen oder zu charakterisieren.“ (ebd. S 238, Z 26 ff)

Um überhaupt das Licht in dieser Qualität des Grundseins mit und aus dem Absoluten zu sehen und einzuschauen – siehe da, dieses Gedanke und diese Kritik war schon motiviert durch den Glauben („durch die frühere Einsicht motivirten Glauben“ ebd. Z 30). Kann es jetzt weiter analysiert werden? Wenn ja, so ist zu vermuten, dass ebenfalls mittels der konstitutiven Bedingung des Glaubens eine Analyse möglich ist.

Gelänge eine Analyse des Existentialaktes, so wäre innerhalb dieses absoluten Lichts eine Abgrenzungsbedingungen gegenüber dem Absoluten gefunden, ein absolutes Wissen erkennbar und ableitbar und unterscheidbar gegenüber dem Absoluten, und die frühere Einsicht und Charakterisierung des absoluten Wissens würde im absoluten Lichte selber eine bloß relative Einsicht – und zwar durch das „Grundgesetz des Lichts geforderte Intelligieren“ (ebd. S 239, Z 4)

Die Antwort Fichtes lautet klar: „Ich könnte eben sowohl sagen; innerhalb dieses Intelligirens geht erst A. auf, vermittelst des Glaubens der W.L;“ (ebd. Z 4f; Hervorhebung) Man merke die Auszeichnung des Glaubens!

Es gibt aber jetzt eine Zweideutigkeit: Innerhalb der Lichtform ist entweder das Absolute der qualitativen Rechtheit und Lichtheit nach geglaubt, oder innerhalb der Existentialform des Lichtes, die absolut ist, wird das Absolute der Form nach selbst intelligiert und gewusst, ohne Glauben.

Es ist eine Zweideutigkeit in der Ansicht des Innerhalb (….)“ (ebd. Z 7).
Ist der terminus a quo der qualitativen Einsicht in den übergehenden, durch sich selbst bestimmten Willen, durch den Glauben erkennbar, oder ist diese qualitative Evidenz durch die Wissensform/Lichtform selbst zu erreichen? Es ist zu erwarten, dass eine Einsicht in das Absolute nicht möglich ist.

Fichte analysiert das Lichtsein in seiner Existentialform des Absoluten näher:

Innerhalb A. (=Absolutes) ist a/a x1 (ich lese: gesetztes Wissen, Wissen als Wissen, einmalig gesetzt. In anderen WL spricht Fichte einfachhin von der „Erscheinung“ des Absoluten in a) nothwendig zufolge des innern WesensGesetzes des Lichts. Offenbar sezt diese Argumentation «es» , daß das Licht sey, stehend und ruhend auf sich selber (wirklich u. an sein Seyn gebunden), u. in diesem stehen eben sey nach seinem Gesetze.“ (ebd. S 239, Z 10ff, Hervorhebung)

Es scheint hier auf, was in den weiteren Vorlesungsstunden herausgearbeitet werden wird, dass, falls die glaubensmäßige Freiheit des Wollens und Erkennens und des Vollzuges gewahrt wird, zugleich eine transzendentale, notwendige Wesensgesetzlichkeit dieses Vollzuges gedacht werden muss. Eine zwingende Notwendigkeit im transzendentalen Wissen muss auffindbar sein, damit die Freiheit des Vollzuges und des glaubensmäßigen Realisieren von Wahrheit, Rechtheit und Lichtheit ebenfalls möglich und kompatibel werde bzw. umgekehrt gesehen:  die Höhe der Erkenntnis einer formalen Wesensgesetzlichkeit des Wissens kann nur durch Freiheit und Glauben ermöglicht werden. (Die Denkweise der Annahme Gottes erfordert also eine viel höhere „transzendentale“ Reflexivität als KANT mit seinem Gottespostulat für seine transzendentale Erkenntnisart ableitete.)

Jetzt zurück zur 13.: „Nun ist das göttliche Existiren allerdings Licht; aber es ist dadurch noch nicht unmittelbar ges<ag>td, daß das Lichte ist, in äusserer, in sich selbst geschloßner ExistentialForm. Darauf haben wir gestern schon gedeutet, sagend, dieses göttliche Grundseyn ist ein geschloßenes, u. vollendetes, also nicht bloß Existiren, sondern Existenz zugleich: die äussere Existenz des Existirens also wäre erst das selbstständige Seyn des Lichtes.“ (ebd. S 239, Z 13ff)

Beim Stichwort Existieren fällt sofort auf, dass selbst die selbstständige, tragende Existentialform des Lichtes nicht aus sich, von sich, durch sich sein kann, sondern vom Absoluten her bedingt (geschaffen) ist. Wie dieses Verhältnis der Lichtform/Existentialform des Lichts zum Absoluten denken?

Fichte erlaubt einen Einwurf, dass diese äußere Existentialform des Wissens tout court auch „Bewußtseyn“ bezeichnet werden kann. (ebd. Z 19)

Die Wurzel und der Träger der Existentialform des Lichtes, die in Abgrenzung zum Absoluten eine äußere Existentialform sein muss, ist und bleibt offenbar das Absolute! Aber damit ist eine neue Bestimmung der Lichtform möglich: das Licht/die Lichtform ist ein „Zustand“.

Das leztere ist innerhalb des ersten, heißt daher: es hat darin die Wurzel seines Seyns, u. Beruhens auf sich, seinen lezten Hälter, u. Träger; u. ist nu«r>Zustand da<ran). Zustand; sage ich mit Bedacht: keinesweges Akt: Ist nur das Licht, so ist dies mit; denn dies ist seine Weise zu seyn, seine Form.“ (ebd. S 239, Z 22ff, Hervorhebung)

Fichte möchte in diesen Zustand der äußeren Existentialform des Lichtes eindringen, die einerseits doch nur eine bloße Form ist, andererseits begründet und gerechtfertigt allein in ihrem Lichtsein im und durch das Absolute, also doch von Wahrheit und Richtigkeit sein muss. Es soll diese Form nicht bloßer Exponent und Verobjektivierung des Absoluten sein, denn dann wäre das Absolute realistisch oder idealistisch relativiert – und das ganze Niveau der bis jetzt transzendental eingesehene Einheit in der Lichtform (von Absolutem und Licht) wäre überhaupt am Boden bzw. fallen gelassen. Die bloße Faktizität begründet und bewährt noch nicht.

Fichte beschreibt diesen kritische Punkt so: „2.). Innerhalb a/a x1 ist A. – denn das erstere ist die intelligirende Exposition des Wesens des letzterns, u. schaut es in dieser Exposition objectivirend hin. Wie nennen wir dieses objectivirte Seyn, zum Unterschiede?i existirt eben als existent, und bloß existent. Daß daher das ganze Verhältniß sich also ausdrüken liesse: innerhalb a existirt A, ohnerachtet das erstere (selber in diesem existent machen,) innerhalb des indem a «in> A. ist, und dadurch, daß dieses in ihm ist, in absoluter Untheilbarkeit des Zustandes.
Das Innerhalb des ersten Satzes redet realistisch, u. von einer realistischen Folge: das des zweiten idealistisch, u von einer solchen Folge. Die Blindheit verfällt nothwendig in irgend einen Idealismus, eine bloße Existenz, welche sie aber, eben drum weil sie blind ist‘ (,) für Realismus hält
. (ebd. S 239.240, ab Z 26ff) 1

Der modus essendi der Wissensform/Existentialform (im weiteren Sinne der Zustand des Bewusstseins) ist nicht eine einseitige Supposition eines realistisch gesetzten Wissens „a“ oder eines idealistisch gedachten Absoluten – wie sich Schelling bzw. Hegel das ausdenken (ebd. Z. 12) – sondern ist vielmehr eine gesuchte „vollendete Klarheit“ (ebd. Z 13).

Falls man in diesen Gegensätzen von Realismus und Idealismus verbleiben möchte, könnte ohne Glaube an die Begründung und Rechtfertigung im Absoluten nichts entschieden werden. Wenn aber schon in diesem Zusammenhang der realistisch/idealistischen Suppositionen gedacht würde – wobei es aber nicht bleiben kann! – nähme der Glaube die realistische Seite ein. Aber das ist eigentlich nicht die transzendental eingesehene Lösung.

Dem sehenden, die absolute Reflektirbarkeit erblikendem Auge, müste, ohne Glauben, beides gleich gelten, u. er könnte nie zwischen ihren entgegengesezten Ansprüchen entscheiden; das Resultat wäre ein absoluter Skepticismus. (Ich habe mehrmals den Vorsatz gefaßt pp um unsre seyn wollenden Philosophen recht in die Irre hineinzuführen.— . Historische Anwendung. Schelling. pp was aus einem nicht in der Tiefe durchdringenden Studium der W.L. – seitdem er selber speculiren will, etwas untergeordneters) Der Glaube erst, der nur der vollendeten Klarheit möglich ist, unterordnet auf immer, u entschieden die idealistische Ansicht unter die realistische.“ (ebd. S 240, Z 6ff)

Sehr fein beschreibt Fichte jetzt die erreichte Höhe des Denkens: Die Anschauung der Erscheinung „a“, des absoluten Wissens, der äußeren Existentialform des Lichtes, enthält in sich ein „substantielles Licht, sich selber unsichtbar, intuitiv, sich selber unbegreiflich, intelligibel.“ (ebd. S 240, Z 20)

Sobald es aber begriffen wird, „in absoluter Einheit des Intuierens und Intelligierens, welche hier erst erzeugt werden“ (ebd. Z 22) ist es schon schon in einem einseitigen Modus des Als-Erkennens und reflektierenden Erkennens.

M. a. W. auf die Aussage hin, „das Licht ist“, wird zwar der Ausdruck und die Aussage eines Grundsein des Absoluten mitbehauptet, aber ipso facto ist diese getätigte Aussage gerade nicht mehr das Grundsein des Absoluten, es ist bereits verobjektiviert und reflektiert und ist nicht die völlige Möglichkeit der Aussage in der realisierten Wirklichkeit. Das Gesagte fällt nicht zusammen mit der gedachte Möglichkeit, sondern ist bereits deren ausgesagte Form mit Mitteln der Einsicht und der Intellektion. 2

Fichte hat in vielen WL auf diesen Widerspruch von Tun und Sagen hingewiesen: Man kann das nicht sagen, was getan wird, weil es dann nicht mehr die Möglichkeit des Gedachten selbst ist. Man kann das wahre Bildsein im Gesagten nur umgekehrt vom gedachten wahren Sein her selbst verifizieren lassen, ob es dessen wahres Bildsein ist oder nicht, sobald eben gebildet und das Wissen vollzogen wird.

Aber die Frage ist jetzt von grundsätzlicher und von viel fundamentalerer Bedeutung, als es im Einzelfall oft zutrifft (der Widerspruch von Tun und Sagen): Wie kann dann prinzipiell noch ein Grundsein in der äußeren Existentialform des Lichts (=des Wissens) in und aus dem Absoluten behauptet werden? Fichtes Antwort hier – und in den weiteren Vorlesungsstunden wird er dies weiter erklären und deduzieren, wie das übergehende Licht der Rechtheit und Lichtheit im Intelligieren selbst festgehalten werden kann:

Der Akt des Intuierens und Intelligierens ist ein selbstständiges Bilden und Begreifen der Möglichkeit nach, sobald aber diese Möglichkeit realisiert wird, ist ein bestimmter Wissensbezug zum Absoluten realisiert.

Dies setzt aber notwendig, weil einerseits das Absolute nicht projiziert und objektiviert werden soll, andererseits doch ein bestimmtes Realisieren dauerhaft geschieht und das Licht der Rechtheit und des durch sich selbst bestimmten Willens glaubensmäßig mitgenommen wird, eine Form der Repräsentation des Absoluten voraus. 3

Nicht allgemein repräsentiert sich das Absolute in einer Art gedachter Emanation zweiter Ordnung hinein, sondern, wie in der 10. und 11. Vorlesungsstunde schon deduziert, in der existentialen Lichtform muss das Absolute vorausgesetzt werden.

Die Projektionsform des Lichtes ist unmittelbar Gottes  – ich drücke es hier so aus, weil ich den Glaubensakt als komplimentär hinzudenken will – Existenz oder „Existentialakt“. Wenn Gott sich projiziert, dann trägt die göttliche Existenz schlechthin notwendig die Lichtform an sich (vgl. ebd. 10. Stunde, S 224, Z 14ff), und diese wiederum schließt notwendig Gottes Aufnahme in die Ichform ein. 4

Kraft existentialer Lichtform ist das Absolute in der Ichform, aber nur in persona des Glaubenden kann das Absolute in Erscheinung treten, also kraft einer Differenz einer nur vermittelten Realisierung und Repräsentation.

Die Gebrochenheit und Differenz einer nur vermittelten Realisierung liegt an der Notwendigkeit einer nur glaubensmäßig (siehe 12. Stunde) und per Freiheit zu erreichenden Qualität der Rechtheit und Lichtheit; dass aber überhaupt vermittelt werden kann, wenn auch in Differenz, liegt an der Existentialform des Lichtes, in die sich das Absolute schon veräußert haben muss. „Existieren ist Repräsentieren5, wenn auch nicht automatisch, sondern erst im wahren Bildsein, in der Bewährung des wahren Bildseins vom Sein her (durch das Sein). (Inwiefern rein aus Freiheit das Absolute auch verleugnet werden könnte, wäre die Frage nach der Möglichkeit des Bösen; ob es nur ein privative Verleugnung des Guten gibt, oder eine absolute Zurückweisung?)

Die Repräsentation des Absoluten in der Ichform – wobei ein Wir einem individuellen Ich und Du vorausgeht – ist dadurch einerseits der Möglichkeit nach fähig, rückbezüglich überhaupt zu sein im Wissen auf einen durch sich selbst bestimmten Willen, andererseits wird diese Rückbezüglichkeit oder Repräsentation erst in der Differenz zum Absoluten d. h. in der Wirklichkeit des zeitlichen und räumlichen und kommunikativen Setzens sichtbar.

Das „Ich“ (Ichheit, wir, ich und du) ist repräsentativ, weil es das Absolute zur Erscheinung zu bringen mag – der angehobenen Möglichkeit nach -, die Realisierung ist aber dann bedingt, sowohl a) durch die Freiheit des individuellen Repräsentanten wie b) durch die Mannigfaltigkeit der in der Realisierung entstehenden Welt.

Das „Ich“ ist der Möglichkeit nach repräsentativ, selbst substantieller Denk- und Selbstbestimmungsakt – bezogen natürlich auf das Absolute – und als solcher substantieller Akt kann es auf die innere Wahrheit und Rechtheit des Existentialaktes des Lichtes –  siehe 12. Vorlesungsstunde – vertrauen und daran glauben.

Gäbe es hier kein Vertrauen und keinen Glauben, könnte diese Lichtform und Existentialform des Wissens zwar als Denknotwendigkeit festgestellt werden, aber diese Faktizität wäre zu wenig. Deshalb wiederum der Glaube zwecks Begründung und Rechtfertigung der Wissensform.

Das hier erscheinende Absolute, ist daher wirklich nicht unmittelbar das absolute, sondern es ist nur in seiner Repräsentation; u. es ist wirklich objektivirt; u. wir bedürfen es nicht weiter, die Gültigkeit” davon durch einen Glauben niederzuschlagen, sondern wir können es gestehen, u. anerkennen, denn wir haben es erklärt: – es ist repräsentirt, u. objectivirt, nicht weil das absolute repräsentirt pp sondern weil das Licht sich selber repräsentirt u. objektivirt werden muß, u. vermittelst pp. Das wahre Absolute <in seiner> Unmittelbarkeit haben wir jezt wo anders, in A. – u. zwar in der reinen absoluten Genesis, Genesis sage ich von A. –. Wie nun* aber A. zu einem selbstständigen Seyn in sich selber komme, aus welchem doch allein erst seine Repräsentation in ihm selber, u. aus dieser die des Absoluten folgt, wissen wir dermalen selbst noch nicht.“ (ebd. S 241, Z 1ff)

Die Glaubensform wie die Lichtform/Wissensform sind durch diese Analyse und den Begriff der Repräsentation nochmals näher bestimmt:

a) Das Produkt der Glaubensform, das, unterschieden von der objektiven, äußeren Existentialform des Wissens und des Lichtes, ein unabhängiges (realistisches) Dasein des Absoluten setzt, ist nicht ein allgemeines, unbestimmtes Produkt, sondern ist immer schon im repräsentierenden Vollzug ein „ichhaftes“ Produkt; der Glaube glaubt zwar nicht an die Form des Produzierens, d. h. an die Wissensform, aber wenn er die Rechtheit und Lichtheit des Absoluten dem Inhalte nach glauben und realisieren will, ist er auch genötigt, diese in einer bestimmten Form einer ichhaften Repräsentation festzuhalten und zu glauben. Die ichhafte Form kann der Glaube wissen – und muss sie wissen können, wenn er vernünftig eine Begründung seiner selbst abgeben will. 

b) Das jetzt noch differenzierter gesehene Wissen zeigt sich in einer neuen, bestimmten Form (phänomenologisch): Die intuitive und intelligierende Einsicht in das Dass des Existentialaktes/Lichtaktes des Absoluten hat die Produktionsform (Anschauungsform) eines dieses Licht repräsentierenden Ichs (in der Wir-, Ich- und Du-Form).

M. a. W., das Absolute kann nur so innerhalb des Wissens gedacht werden, dass es nicht nur via negativa (durch begriffliche Negation, apophatisch), aber auch nicht nur via positiva (durch Glauben, kataphatisch)  ausgesagt werden kann, sondern nur negativ wie positiv gleichzeitig, kraft Wissensform und Glauben, in dauernder Differenz (des Wissens) und dauernder Einheit (des Glaubens) wird es repräsentiert.

Fichte gibt selber ein Resümee des bisher Abgeleiteten in drei Punkten (ebd. S 241, ab Z 13 – 26), und kommt schlussendlich ausdrücklich nochmals auf die Erkenntnisweise des Glaubens zu sprechen, wodurch wir diese transzendentale  Analyse der äußeren Existentialform des Lichts/des Wissens als Repräsentation des Absoluten ja erst erreicht haben:

(…) „damit ich Sie doch nicht ohne neues entlasse: Das Selbständige Seyn des A. giebt ihm offenbar die objective ExistentialForm in die es aufgenommen ist. Wie ist es denn zu dieser Form gekommen? Ist wohl einerlei mit der Frage: wie sind wir denn zu demselben gekommen; denn so wir zu demselben kommen, kommt es eben Uns gegenüber in diese Form. Antw.: Durch den Glauben. Er giebt diese Form, unmittelbar durch sein faktisches seyn, durch sich selber, als Faktum; ohnerachtet er freilich an das Produkt dieser Form als solcher nicht glaubt, weil er sodann eben nicht Glaube wäre, u. das Absolute gar nicht hätte. Er giebt diese Form, diese Form aber giebt selbstständiges Seyn, mithin ist er es der pp. Er hält sich, nicht glaubend an das wirkl. Seyn dieser Form, an das Resultat seines Formgebens, und giebt über demselben sich selbst sein Seyn, als das wahre, u. höchste Seyn; wovon das andere nur das vermittelte, an welches er daher ohne Zweifel nicht glaubt, da er an den Grund desselben, die Form, nicht glaubt:“ (ebd. S 241 Z 26 – bis S 242 Z 5)

Der Glaube verschafft Klarheit im Unterschied zwischen bloßer Wissensform/Reflexionsform und dogmatisch vorausgesetztem Sein und bindet die Wissensform/Reflexion zurück auf den Begriff einer wahrhaften Repräsentation. 

Schließlich die Auflösung dieses allgemeinen Begriffes der Repräsentation:

Ferner: was ist, d<a>s“ dieses Formgeben unabtrennlich, als sein Neben, u. Wechselglied mitbringt, oder von ihm mitgebracht wird? Antw. Die absolute Reflektirbarkeit, das Wir, oder Ich: und so würde denn das Ich, u. zwar das absolute des Glaubens, oder der [/] W. L. zum unmittelbaren Repräsentanten des Absoluten werden; u. die Anschauung u. das Intelligiren des Absoluten als Absoluten nur zu seinem, des Ich, Repräsentanten, freilich in Beziehung auf ihn zum absoluten Repräsentanten.“ (ebd. S 242, Z 6ff Hervorhebung von mir)

Das Thema „Glaube und Wissen“ geht dann noch weiter, insofern die intelligible Bedingung des Glaubens für eine vollständige Deduktion des absoluten Wissens  jetzt ebenfalls „verdächtig“ (ebd, Z 13) scheint -wie oben die Wissensform –  weil sie so willkürlich eingeführt wurde. Fichte beantwortet diese Anfrag aber dahingehend,  dass aus dem Begriff des Absoluten notwendig zur Als-Form der Erkenntnis und des Wissens intelligierend übergegangen werden muss, d. h. dass die Reflexionsform begründet und gerechtfertigt werden kann; der Glaube in seiner   Form des Glaubens an die Wahrheit und Rechtheit der Erscheinung des Absoluten wird aber damit nicht hinfällig, sondern beansprucht sein Recht weiterhin, die Erscheinung des Absoluten nur realistisch einsehen zu wollen. Die WL mit ihren notwendigen Denk- und Wissensformen ist gültig und wahr, wenn sie zugleich im Glauben und in Freiheit realisiert werden kann. Die konkrete Aufforderung zum freien Nachvollzug und die konkrete Erfahrung von Rechtheit und Wahrheit ist konstitutive Bedingung der reflektierenden Analyse.

(….) es liegt schlechthin im göttlichen Existiren, daß in ihm das absolute als absolutes vorkomme. ..- . Nur müste freilich die faktische Erscheinung der Freiheit, u. Zufälligkeit des Glaubens dabei bestehen können‘, daß wir daher nur einen andern Begriff der Nothwendigkeit, als den gewöhnlichen anzuschaffen hätten. Wie dies alles <aus einan>der gehen wird pp.“ (ebd. S 242, Z 16)

Ich möchte hier diesen kurzen Auszug aus zwei Vorlesungsstunden der WL 1805 beenden, weil mich der Begriff der Repräsentation interessierte. Das Verhältnis des Absoluten zum Wissen wurde in den spätern Wln (ich denke z. B. an die WL 1810) in den Begriffen Erscheinung und Sichtbarkeit der Ichheit etc. noch mehr durchdrungen und in gewisser Weise kürzer und noch prägnanter dargestellt, aber die Anknüpfung an den Anfang der WL bzw. die Anknüpfung an die sinnlich-praktische Realität ist hier 1805 m. E. wiederum deutlicher, insofern durch den Begriff der Repräsentation bzw. eines Repräsentationsvermögen  die Differenz wie Einheit der Ichform zum Absoluten begrifflich gefasst worden ist. Die  Repräsentation der WL 1805 ist nicht ein leeres Schema, sondern aktives Vorstellen, Erkennen, Fühlen, Wollen und Handeln – wie die Wln 1793/94  begonnen haben.

(c) Franz Strasser, Altheim, 12. 3. 2019

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1  Analog könnte ich sagen: Wie Heidegger das Denken in ein  Verhältnis zum Sein stellte – und so dogmatisch wurde – so steht bei Fichte das Wissen im Verhältnis zur Existenz; aber dieses fragliche Verhältnis ist nicht dogmatisch oder relativistisch vorausgesetzt, sondern nochmals höhererseits bedingt durch das  daseiende Absolute, das implizit in jedem Wissensakt/Lichtakt mit ausgesagt wird, negativ wie positiv.

2Diese ausgesagte, objektivierte Form fand in der WL 1804/2 im Begriff des „absoluten Verstandes“ eine herrliche Form. Siehe dort. J. Widmann situiert den „Verstand“ an diesen genetischen Ort der „Genesis“ des Wissens, abgeleitet vom Prinzip des „Solls“: „Fichte drückt dies so aus: Das Soll „sieht ein Princip: es erklärt daher kategorisch, das Sein nur unter Bedingung eines Princips gelten zu lassen, also nur genetisches Sein, oder Genesis des Seins gelten zu lassen“.(J. Widmann, Die Grundstruktur…, ebd. S 124)  Das führt notwendig zum Begriff des Verstandes, aber auch zu einer positiven Nicht-Genesis: „ (….)Das sein-sollende Wissen ist inhaltlich nach wie vor sich-erzeugendes Wissen. Denn das SichErzeugen ist die Seinsqualität, die hier im unwandelbaren Seinscharakter bestehen soll. Formal aber kann dies unwandelbar Bleibende des Wissens, als das alles Erzeugen Bestimmende, vom bestimmten Erzeugen nur durch die Negation abgehoben werden, daß es das in der Genesis nicht von Veränderung betroffene Sein des Wissens ist.  Damit taucht wieder ein, nur durch Negation begreifbarer, Hiatus auf, der nur nicht mehr wie früher „irrational“ ist, sondern lediglich das Sein der Vernunft in ihrer „reinen Einheit von aller Erscheinung sondert“ . Der Hiatus hat nicht mehr den Schein eines „an sich“ bestehenden Bruchs im lebendigen Gefüge der Erscheinung. Er zeigt sich vielmehr als das Verweilen der Genesis in sich selber. Somit als ein Phänomen, das für das Wissen nur dann hervortritt, wenn es mit seiner wesenhaften Genesis rein in sich selbst verharrt. In diesem Augenblick springt der reine Begriff bestimmter Negation von Genesis als Reflex der fortdauernden Lebendigkeit von Genesis hervor und konkretisiert sich in dem Bewußtsein einer „positiven Nichtsichgenesis“. (J. Widmann, ebd. S 125.126)

3Zum Begriff der „Repräsentation“ siehe z. B. Gaetano Rametta, Der Begriff „Repräsentation“ in der Wissenschaftslehre 1805. In: Fichte-Studien Bd, 34 2009, 153 – 170.

4Gaetano Rametta, ebd. S 163.

5Gaetano Rametta, ebd. S 167.

Autor: Franz Strasser

Dr. Franz Strasser